Cella. — Cult- und Festtempel.
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Fig. 158. Grundplan des mittleren Tempels der Akropolis von Selinus.
die Tempel in zwei Classen, Culttempel und Festtempel. Nur die ersteren
waren Tempel im eigentlichen Sinne , enthielten das verehrte und geweihte
Cultbild und den Speiseopfertisch , während der Opferaltar vor dem Tempel
selbst und zwar etwas niedriger als derselbe stand. Die letzteren aber , die
Festtempel, entbehrten dieser drei wesentlichen Attribute, indem das Haupt-
bild der Gottheit mehr ein geweihtes Schau- und Schatzstück, als ein Gegen-
stand der Verehrung war , und indem die erhöhte Bühne in der Cella an
der Stelle des Speiseopfertisches nicht zu Cultzwecken , sondern zur Auf-
stellung und Vertheilung der Preise, wie am Parthenon und am Zeustempel
von Olympia diente, während der Brandopferaltar vor dem Tempel ganz weg-
fiel. Sonst reihten sich an den Wänden Anathemen und deponirte Schätze,
welche letztere übrigens auch oft in einem besonderen Hintergemache , dem
Opisthodom, verwahrt wurden. Der Raum zur Aufstellung solcher Werth-
gegenstände wie zur Aufnahme eines grösseren Publicums bei festlichen An-
lässen, der Agonalpreisevertheilung u. s. w. , ward übrigens noch durch
Seitenschiffe mit Obergeschossen vermehrt, welche durch übereinandergedop-
pelte Säulenreihen gebildet wurden. Diese erleichterten die Deckenbildung :
doch ward diese nicht vollständig hergestellt, denn das Mittelschiff blieb
wenigstens zum grossen Theile unbedeckt.
So entstanden die Hypäthraltempel, deren Existenz nach Bötticher’s ^ypä-
unumstösslicher Widerlegung der Ross’schen Bedenklichkeiten nicht mehr tempei.
bezweifelt werden sollte.*) Die bedeutendsten Einwendungen, welche gegen
die Möglichkeit hypäthraler Tempel gemacht wurden , die Unschönheit
des Anblicks des in der Mitte ausgeschnittenen »eingeschlagenen« Firstes
lin 1852. S. 194 fg. S. 498 fg. 1853. S. 127 fg. 269 fg.) - Derselbe, Ueber
agonale Festtempel und Thesauren. (Philologus. Jahrgang XVII. 3. 4.
Jahrg. XVIII. I. 3. 4. Jahrg. XIX. 1.)
*) C. F. Hermann, Ilie Hypäthraltempel des Alterthums. Göttingen 1844.
L. Ross, Keine Hypäthraltempel mehr. Hellenika, Archiv archäologischer, philo-
logischer, historischer und epigraphischer Abhandlungen. Band I. Heft I.
Halle 1846.
C. Bötticher, Der Hypäthraltempel auf Grund des Vitruvischen Zeugnisses gegen
Prof. Dr. L. Ross erwiesen. Potsdam. 1847.
Reber, Baukunst d. Alterth, |g
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Fig. 158. Grundplan des mittleren Tempels der Akropolis von Selinus.
die Tempel in zwei Classen, Culttempel und Festtempel. Nur die ersteren
waren Tempel im eigentlichen Sinne , enthielten das verehrte und geweihte
Cultbild und den Speiseopfertisch , während der Opferaltar vor dem Tempel
selbst und zwar etwas niedriger als derselbe stand. Die letzteren aber , die
Festtempel, entbehrten dieser drei wesentlichen Attribute, indem das Haupt-
bild der Gottheit mehr ein geweihtes Schau- und Schatzstück, als ein Gegen-
stand der Verehrung war , und indem die erhöhte Bühne in der Cella an
der Stelle des Speiseopfertisches nicht zu Cultzwecken , sondern zur Auf-
stellung und Vertheilung der Preise, wie am Parthenon und am Zeustempel
von Olympia diente, während der Brandopferaltar vor dem Tempel ganz weg-
fiel. Sonst reihten sich an den Wänden Anathemen und deponirte Schätze,
welche letztere übrigens auch oft in einem besonderen Hintergemache , dem
Opisthodom, verwahrt wurden. Der Raum zur Aufstellung solcher Werth-
gegenstände wie zur Aufnahme eines grösseren Publicums bei festlichen An-
lässen, der Agonalpreisevertheilung u. s. w. , ward übrigens noch durch
Seitenschiffe mit Obergeschossen vermehrt, welche durch übereinandergedop-
pelte Säulenreihen gebildet wurden. Diese erleichterten die Deckenbildung :
doch ward diese nicht vollständig hergestellt, denn das Mittelschiff blieb
wenigstens zum grossen Theile unbedeckt.
So entstanden die Hypäthraltempel, deren Existenz nach Bötticher’s ^ypä-
unumstösslicher Widerlegung der Ross’schen Bedenklichkeiten nicht mehr tempei.
bezweifelt werden sollte.*) Die bedeutendsten Einwendungen, welche gegen
die Möglichkeit hypäthraler Tempel gemacht wurden , die Unschönheit
des Anblicks des in der Mitte ausgeschnittenen »eingeschlagenen« Firstes
lin 1852. S. 194 fg. S. 498 fg. 1853. S. 127 fg. 269 fg.) - Derselbe, Ueber
agonale Festtempel und Thesauren. (Philologus. Jahrgang XVII. 3. 4.
Jahrg. XVIII. I. 3. 4. Jahrg. XIX. 1.)
*) C. F. Hermann, Ilie Hypäthraltempel des Alterthums. Göttingen 1844.
L. Ross, Keine Hypäthraltempel mehr. Hellenika, Archiv archäologischer, philo-
logischer, historischer und epigraphischer Abhandlungen. Band I. Heft I.
Halle 1846.
C. Bötticher, Der Hypäthraltempel auf Grund des Vitruvischen Zeugnisses gegen
Prof. Dr. L. Ross erwiesen. Potsdam. 1847.
Reber, Baukunst d. Alterth, |g