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Reber, Franz von
Über die Anfänge des ionischen Baustils — München, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.13853#0046
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nicht in das Spiralenglied einfügen zu müssen. Dass das Plättchen unterhalb
mit der Perlenschnur verziert ward, geht möglicherweise auf ein uraltes Zier-
glied des Schaftendes zurück.

Die grösste Verlegenheit aber bereitete, wie schon oben angedeutet wurde,
das Eckkapitäl des Peripteros, bei welchem man, um die Spiralenseite an den
zwei anstossenden Seiten aussen zur Ansicht zu bringen, dazu gezwungen war,
die beiden an den Ecken sich treffenden Spiralen, welche sich in normaler
Bildung hätten schneiden müssen und sonach nicht vollständig anzubringen
gewesen wären, diagonal nach auswärts zu biegen. Leichter als mit dieser stets
sichtbar bleibenden Vergewaltigung konnte man sich dann mit den Polster-
seiten abfinden, weil der Einschnitt zwischen den nicht völlig zusammen-
stossenden Polstern zwar ebenso misslich, aber an der Innenseite wenigstens
nicht störend war. Jedenfalls war die Verzerrung des Eckkapitäls eine schwer
wiegende Konsequenz der Umwandlung des an den Langseiten säulenlosen
Baues in den Peripteros, und ungleich schwieriger und unvollkommener zu
besiegen, als die Ungleichheit der Metopen an den Ecken des dorischen Peri-
pteros, welche durch Engerstellung der Ecksäulen leicht und sogar vortheilhaft
zu bekämpfen war. Die Mittheilung Vitruvs, dass gewisse Architekten dorisch
geplante Gebäude der Metopenschwierigkeit wegen nachträglich in ionischem
Stil ausgeführt hätten, darf daher unbedenklich in das Gebiet der Fabeln ver-
wiesen werden, da hiebei die Architekten von der Scylla in die Charybdis
gerathen wären. Es kann der Notiz höchstens der Umstand zu Grunde liegen,
dass der Unterbau so hergestellt wurde, um ebenso für dorischen wie für
ionischen Aufbau verwendet werden zu können. Wir nehmen endlich mit
Bestimmtheit an, dass es keinen ionischen Peripteros mit Holzsäulen gab.

Nicht mit der gleichen Sicherheit ist diess vom Gebälk zu behaupten.
Zunächst machten die ringsum geführten Säulen auch die Ringsumführung des
Architravs nothwendig, welcher schon von vorneherein an den Fronten der
Antentempel vorhanden und an prostylen Kapellen vielleicht auch auf die
Langseiten erstreckt war. Zunächst aus mehreren übereinander vorkragenden
Werkhölzern bestehend, verblieb er auch bei diesem Vorbild, als das Gebälk
in Stein ausgeführt wurde. Mit dem reichen und zierlichen Charakter des
ganzen Stiles aber hing es zusammen, dass die obere Kante des Architravs
mit einem Herzblattkyma und darunter gelegtem Astragal geschmückt ward,
wie auch bald Perlenschnüre unter die Vorsprünge des zweiten und eventuell
dritten Architravstreifens gelegt wurden.

Völlig neu war dann der Fries, eine Einschiebung, welche ich jedoch
nicht einfach als eine Concession an das dorische Vorbild betrachten möchte.
 
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