Zeustempel in Olympia.
EINLEITUNG
m griechischen Tempel der dorischen Bauweise sind
bei eingehender Betrachtung viele dem Anschein nach
willkürliche Anordnungen bemerklich, deren Begrün-
dung bis jetzt so wenig geglückt ist, wie die zahlreichen Ver-
suche, den Schleier des Geheimnisses der von jeher so be-
wunderten Harmonie der Gesamterscheinung dieser Monumente
zu lüften. Es sei hier nur daran erinnert, dass an den Meister-
werken der Blütezeit der griechischen Baukunst, deren tech-
nische Ausführung im allgemeinen als vollendet bezeichnet
werden muss, durch die genaueren Aufnahmen nachgewiesen
wurde, dass die Säulen der Langseiten um wenige Zentimeter
enger gestellt sind als die Säulen der Giebelseiten, dass deren
Kapitale etwas kleinere Abmessungen aufweisen als die der
Säulen der Schmalseiten.
Wieder ganz abweichend ist bekanntlich die Stellung der
Ecksäulen zu den zunächstliegenden Säulen. Deren Enger-
stellung ist verursacht durch die Anordnung von Ecktriglyphen
im Fries des Gebälks; aber trotz dieser Engerstellung sind die
Säulen am Eck etwas kräftiger gehalten und sind deren Kapitale
grösser als die der viel weiter gestellten Säulen inmitten der
Schmal- und Langseiten.
Ebenso auffallend ist die durch genaue Messungen er-
wiesene Anordnung der um wenige Zentimeter nach einwärts
geneigten Stellung der Säulen des peripteralen Säulenkranzes
rings um die Cella.
Alle diese so eigenartigen Erscheinungen im Aufbau des
dorischen Tempels, welche den modernen Auffassungen der
monumentalen Baukunst so wenig entsprechen, gaben Veran-
lassung zu den spitzfindigsten Theorien über die von den
griechischen Baukünstlern damit beabsichtigte Wirkung, die
wir mit unseren heutigen Augen und Gefühlen aber nicht zu
würdigen wissen.
Ebensowenig aufgeklärt sind bis jetzt die Unregelmässig-
keiten und Eigenarten der Grundrissgestaltung, so dass, da
bis heute alle Versuche gescheitert sind, im Aufbau wie in
der Grundrissgestaltung des dorischen Tempelbaus ein systema-
tisches Verfahren nachzuweisen, nur anzunehmen übrig blieb,
dass die so eigenartige Gestaltung des griechisch-dorischen
Tempels in allen Einzelheiten und Verhältnissen allein dem
freien Ermessen und dem künstlerischen Gefühl des griechischen
Baumeisters zuzuschreiben ist, wie dies der Hauptsache nach
auch in der modernen Baukunst üblich ist.
Eingehende Untersuchungen auf-graphischem Weg haben
den Verfasser jedoch bald zu der Überzeugung gelangen lassen,
dass in der griechischen Baukunst zur Regelung der Verhält-
nisse der Gesamtheit und der Abmessungen der Einzelteile
ein strenges System angewendet worden ist, das auf einfachen
mathematischen Verhältnissen beruht, ein Vorgang, der zweifellos
schon in der ganz in den Händen der Priesterschaft stehenden
Tempelarchitektur der alten Ägypter üblich war, ein System,
dessen konsequente Durchführung die im vorhergehenden an-
geführten, so unerklärlichen Eigenartigkeiten zur Folge haben
musste. Noch fehlte aber sozusagen der Schlüssel zu diesem
System.
Die auffallende Art und Weise der Konstruktion der
Umfassungsmauern der Cella auf einer mehr oder weniger
hohen Sockelschichte, welche im Gegensatz zu der schichten-
weisen Mauerung des übrigen Teils der Umfassungsmauer an
EINLEITUNG
m griechischen Tempel der dorischen Bauweise sind
bei eingehender Betrachtung viele dem Anschein nach
willkürliche Anordnungen bemerklich, deren Begrün-
dung bis jetzt so wenig geglückt ist, wie die zahlreichen Ver-
suche, den Schleier des Geheimnisses der von jeher so be-
wunderten Harmonie der Gesamterscheinung dieser Monumente
zu lüften. Es sei hier nur daran erinnert, dass an den Meister-
werken der Blütezeit der griechischen Baukunst, deren tech-
nische Ausführung im allgemeinen als vollendet bezeichnet
werden muss, durch die genaueren Aufnahmen nachgewiesen
wurde, dass die Säulen der Langseiten um wenige Zentimeter
enger gestellt sind als die Säulen der Giebelseiten, dass deren
Kapitale etwas kleinere Abmessungen aufweisen als die der
Säulen der Schmalseiten.
Wieder ganz abweichend ist bekanntlich die Stellung der
Ecksäulen zu den zunächstliegenden Säulen. Deren Enger-
stellung ist verursacht durch die Anordnung von Ecktriglyphen
im Fries des Gebälks; aber trotz dieser Engerstellung sind die
Säulen am Eck etwas kräftiger gehalten und sind deren Kapitale
grösser als die der viel weiter gestellten Säulen inmitten der
Schmal- und Langseiten.
Ebenso auffallend ist die durch genaue Messungen er-
wiesene Anordnung der um wenige Zentimeter nach einwärts
geneigten Stellung der Säulen des peripteralen Säulenkranzes
rings um die Cella.
Alle diese so eigenartigen Erscheinungen im Aufbau des
dorischen Tempels, welche den modernen Auffassungen der
monumentalen Baukunst so wenig entsprechen, gaben Veran-
lassung zu den spitzfindigsten Theorien über die von den
griechischen Baukünstlern damit beabsichtigte Wirkung, die
wir mit unseren heutigen Augen und Gefühlen aber nicht zu
würdigen wissen.
Ebensowenig aufgeklärt sind bis jetzt die Unregelmässig-
keiten und Eigenarten der Grundrissgestaltung, so dass, da
bis heute alle Versuche gescheitert sind, im Aufbau wie in
der Grundrissgestaltung des dorischen Tempelbaus ein systema-
tisches Verfahren nachzuweisen, nur anzunehmen übrig blieb,
dass die so eigenartige Gestaltung des griechisch-dorischen
Tempels in allen Einzelheiten und Verhältnissen allein dem
freien Ermessen und dem künstlerischen Gefühl des griechischen
Baumeisters zuzuschreiben ist, wie dies der Hauptsache nach
auch in der modernen Baukunst üblich ist.
Eingehende Untersuchungen auf-graphischem Weg haben
den Verfasser jedoch bald zu der Überzeugung gelangen lassen,
dass in der griechischen Baukunst zur Regelung der Verhält-
nisse der Gesamtheit und der Abmessungen der Einzelteile
ein strenges System angewendet worden ist, das auf einfachen
mathematischen Verhältnissen beruht, ein Vorgang, der zweifellos
schon in der ganz in den Händen der Priesterschaft stehenden
Tempelarchitektur der alten Ägypter üblich war, ein System,
dessen konsequente Durchführung die im vorhergehenden an-
geführten, so unerklärlichen Eigenartigkeiten zur Folge haben
musste. Noch fehlte aber sozusagen der Schlüssel zu diesem
System.
Die auffallende Art und Weise der Konstruktion der
Umfassungsmauern der Cella auf einer mehr oder weniger
hohen Sockelschichte, welche im Gegensatz zu der schichten-
weisen Mauerung des übrigen Teils der Umfassungsmauer an