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Repertorium für Kunstwissenschaft — 1.1875

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Janitschek, Hubert: Zur Charakteristik der palermitanischen Malerei der Renaissance-Zeit, 1, Antonio Crescenzo und seine Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.61801#0382
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368

Janitschek: Zur Charakteristik

Füssen kniet. Die Gestalt Cäciliens umfliesst der wundersame Zauber
rnagdlicher Holdseligkeit. Nicht wie Raphael’s Cacilia lauscht sie in
gehaltenem Entzücken den Engelsmelodien, die von oben kommen; das
leicht gebeugte Haupt, die etwas herabgesunkenen Augenlider verbreiten
den Ausdruck andächtigen Sinnens, über das kindlich-süsse von bräun-
lich-blonden Flechten umrahmte Gesicht. Sieht man nur auf die Formen-
behandlung des Kopfes, so zeigt sich hier ein durch und durch grund-
verschiedener Typus, als wir ihm im »Trionfo« begegneten. Die nicht
zu hohe schön modellirte Stirn, die edle doch individuelle Form der
Nase, der kleine volle Mund, das zierlich doch kräftig gerundete Kinn
— in Allem offenbart sich jene Individualisirungsweise, welche mitten
hindurchgeht zwischen der leeren Allgemeinheit künstlerisch-impotenter
Nachahmer der Antike und den rüden Virtuosen seichter Naturnach-
ahmung. Der zur Gäcilia emporgehobene Kopf des Engels, welcher die
Action zu trefflichem geistigen Ausdruck bringt, ist in’s Grössere, Kräf-
tigere gebildet und trägt im Ganzen die Signatur einer eigenthümlichen
geistigen Vornehmheit. Die Landschaft, in welche der Vorgang gestellt,
zeigt eine liebenswürdige Versenkung in das Detail. Den Hintergrund
begränzen grüne Höhen. Im Mittelgrund sieht man einen kleinen
Weiher, ein Boot schaukelt sich darauf, ein Schwan zieht darauf hin;
weiter nach vorn bemerkt man ein aus rothbraunen Ziegeln erbautes
Haus. Alles ist aus einem warmen Braun herausgearbeitet, so dass das
Colorit, trotzdem dass starke Beleuchtung vermieden wurde, doch den
Eindruck des Heiteren , Lebendigen macht. — So zeigt sich hier in
Farbe und Styl eine solche Grundverschiedenheit vom Trionfo, dass
man, wie ich meine, nicht einen Augenblick in Versuchung hatte fallen
dürfen, Einem Maler den »Trionfo« und die »Gäcilia« zuzueignen.
Während dort ein gewisser bizarrer Naturalismus Gomposition und
Formenbildung des Einzelnen bestimmt, zeigt sich hier jener durch die
Antike geläuterte Realismus der Form — ausgefüllt mit einfachem, ja
naivem, doch tiefem Empfinden — wie wir dies zu, jener Zeit vornehm-
lich in der toscanischen Kunst antreffen. Dies Gäcilienbild ist desshalb
auch eine ganz bedeutende Stütze jener Angabe, dass Antonio Gres-
cenzo das italienische Festland besucht habe. Nur so konnte er den
todten starren Idealismus der heimischen Kunstrichtung völlig über-
winden.
Nach diesem Werke treffen wir kein beglaubigtes Bild Antonio
Grescenzo’s mehr. Dagegen tritt mit 1480 seines Schülers, Tommaso de
Vigilia’s Thätigkeit in den Vordergrund; Antonio Grescenzo mochte gegen
1480 gestorben sein.
Der Vollständigkeit wegen sei aber noch Folgendes bemerkt. Di
 
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