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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Schlie, Friedrich: Der Herzog Christian Ludwid II. von Mecklenburg und der Maler Chr. Wilh. Ernst Dietricy
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0041
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Herzog Christian Lud. II. von Mecklenburg u. der Maler Chr. W. Ernst Dietricy. 27

ihm der Herzog übersandte. Die grosse Zahl ganz kleiner Landschaftsbilder
in der Art des Joh. Alexander Thiele aber, welche der Katalog am Schluss
aufführt, und deren auch die Galerien in Braunschweig, Cassel, Frankfurt,
Mannheim, Stuttgart, Schleissheim und Speier mehrere von ganz gleicher Art
aufzuweisen haben, werden der frühesten Zeit des Dietricy angehören, als er
sich noch in den Geleisen seines Lehrers, des ebengenannten J. A. Thiele,
bewegte. Sie haben mit seiner späteren Weise zu malen nichts zu schaffen.
Aber so viel ergiebt sich für die Beurtheilung des Verhältnisses des Her-
zogs Christian Ludwig zu Dietricy, dass letzterer für ersteren, dessen ganzes
Herz an der Fein- und Kleinmalerei der Niederländer hing, nur dann von
Bedeutung war, wenn diese als Vorbilder dienten. Und es ist nicht zu leugnen,
dass Dietricy in dieser Dichtung gelegentlich Vortreffliches leistete. Mit gutem
und kindlichem Sinne sucht er sein Bestes zu thun. Die Blumen und Kräuter
des Vordergrundes sind immer mit grosser Liebe behandelt, seine Waldgründe
wirken oft hochpoetisch, und auch seine Lüfte sind nicht selten von grossem
Reiz. Seine Figuren erscheinen stets zierlich und correct, und in der Anord-
nung herrscht viel Geschick und Geschmack. Doch die Feinheit des Tones,
worüber die Niederländer gebieten, erreicht er nicht. Ueberblickt man indessen
die Vertreter der deutschen Kunst im 18. Jahrhundert, die ja im Ganzen kein
erfreuliches Bild bieten, dann gewinnt Dietricy ungemein: unter den deutschen
Künstlern der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist er unbedingt als
einer der ersten zu nennen. Warum will man überhaupt sich die Freude
an einzelnen seiner Schöpfungen stören lassen durch das Urtheil über das
Gesammtverhältniss der Deutschen jener Zeit zu fähigeren und glänzender
erscheinenden Nachbarn hüben und drüben? Bei aller Anlehnung an die ver-
schiedenen Vorbilder älterer Meister hat Dietricy seine eigene Vortrags- und
Auffassungsweise und sein eigenes Golorit, so dass man sofort alle die Imi-
tationen der Poelenburg, Berchem, Elzheimer, Dou, Rembrandt, Boucher,
Watteau, Lancret u. a. m. als von einer Hand herstammend erkennt. Dietricy
erscheint immer wie ein eigenartiger Schüler dieser Meister, niemals sklavisch
copirend. Man könnte ihn daher ebenso gut wie mit dem amerikanischen
Spottvogel auch mit einem geschickten Uebersetzer vergleichen, der aus einer
fremden Kunstsprache in seine eigene übersetzt und dem es allemal gelingt,
den Geist und das Wesen des fremden Meisters in der heimischen Weise mit
eigenen Mitteln aufs beste zum Ausdruck zu bringen. Noch ist daran zu erin-
nern, dass, wenn der Herzog den Dietricy auf die feinere Arbeit des Adriaen
van der Werff aufmerksam machen lässt, ersterer dabei von der Vorstellung
ausgegangen sein wird, welche die von ihm selbst besessenen Bilder des Adriaen
van der Werff in ihm erweckt hatten. Dies sind aber gerade Werke der
frühesten Zeit des Malers, als er noch nicht in die elfenbeinerne Glätte und
Kälte verfallen war, welche die Arbeiten seiner späteren Jahre kennzeichnet,
sondern als er noch ganz in den Wegen des älteren Frans van Mieris wandelt
und ebenso warm und feintonig wie dieser zu malen versteht. Vergleiche die
Nummern 1112 bis 1115 des Katalogs von 1882.
 
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