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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Litteraturbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0108
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94

Litteraturbericht.

Um nun aber schliesslich auch noch zu erörtern, inwieweit der Verfasser
der kunsthistorischen Methode gerecht geworden ist, auf die es hier doch
hauptsächlich ankommen dürfte, so erfordert dieselbe doch nicht bloss eine
trockene Aneinanderreihung von Geschehnissen, selbst wenn sie noch so durch-
sichtig und etwa auch culturgeschichtlich interessant wäre, sondern das ur-
kundliche Material soll doch vor Allem dazu dienen, um eine stilgeschicht-
liche Charakteristik, sei es einer Kunstepoche, sei es eines einzelnen Kunst-
werkes und seiner Stellung in jener, sei es endlich einer künstlerischen Indivi-
dualität oder einer Gruppe von solchen, sowie ihres Verhältnisses zu jener zu
gewinnen. Die historischen Daten in ihrer chronologischen Reihenfolge sind
bloss die Anhaltspunkte, um das Bild eines Entwicklungsganges oder eines
Momentes in demselben annähernd in der Weise wiederherzustellen, wie er
einst sich wirklich gestaltet hat.
Um aber eine solche kunsthistorische Forschung im eigentlichen
Sinne mit Glück durchzuführen, dazu bedarf es, äusser der Vorarbeit einer
methodischen Zusammenstellung des Urkundenmaterials, hauptsächlich auch
noch eines specifisch stilkritischen Verfahrens, und dieses erfordert vor allen
Dingen ein offenes und empfängliches Auge für das Schöne, sowie ein feines
Unterscheidungsvermögen für das Eigenthümliche in den Kunstschöpfungen,
sodann aber auch eine gewisse Summe von Kenntnissen typischer oder für
bestimmte Fälle charakteristischer Formen. Von einer eigentlichen Stilkritik
kann also beim Verfasser keine Rede sein, da es ihm nicht einmal gelungen,
einzelne Formen richtig oder charakteristisch zu beschreiben. Damit hat er
auch die Hauptaufgabe, die ihm sein Gegenstand auferlegte, nicht gelöst.
Dass er aber das grosse Publicum, dem er eine gewisse Missachtung
der Kunstforschung zuschreibt, durch sein Buch auch nicht eines andern be-
lehren wird, dafür sorgt schon die gänzliche Formlosigkeit und Ungeniessbarkeit
desselben, ganz abgesehen von dem Inhalt. Höchstens wird dem oberfläch-
lichen Beurtheiler, der den Werth eines Buches nach dessen Umfang schätzt,
dasselbe imponiren. Lesen wird dieser es aber erst recht nicht.
Innsbruck, 14. October 1885. H. Semper.
Beiträge zur Geschichte des Basler Münsters. Herausgegeben vom
Basler Münsterbauverein. III. Das Münster vor und nach dem Erdbeben
von E. La Roche, Pfarrer. Basel 1885. Benno Schwabe. 56 S. 8°. Mit
5 autogr. Tafeln und 5 Lichtdrucken.
Verfasser, der sich schon früher als ein gründlicher Kenner des Basler
Münsters bewährte (Repertorium Bd. V. S. 334 u. f.) hat seither ebenso er-
folgreich wie scharfsinnig die Untersuchung des gesammten Bauwerkes in An-
griff genommen. Der Zeitpunkt dazu war günstig gewählt, indem die zur
Restauration benöthigten Vorkehrungen die Besichtigung zahlreicher sonst un-
zugänglicher Stellen erlaubten. Dank solcher Gunst sind nunmehr eine Reihe
von Fragen gelöst und zerstreute Bausteine zu einem Werke vereinigt, das in
trefflicher Weise die wechselvolle Baugeschichte dieses ehrwürdigen Denkmales
zusammenfasst.
 
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