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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Dahlke, Gotthilf: Romanische Wandmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0186
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Romanische Wandmalereien in Tirol.

4. Aus der Nicolauskirche bei Windisch-Matrei.
Von G. Dahlke.
Am Fuss der Tauernkette, nördlich von Lienz, bildet der Flecken Windisch-
Matrei den Wohnsitz einer eigenthümlichen, aus slavischen und germanischen
Elementen erwachsenen Bevölkerung, die sich erst spät dem Bann der heid-
nischen Barbarei entrang. Im zwölften Jahrhundert eine Herrschaft der Grafen
von Lurn und Lechsgemunde, dann im Besitz der Erzbischöfe von Salzburg —
die um 1200 das Gericht in eigene Verwaltung übernahmen — und seit 1813
dauernd mit Tirol verbunden, hat der Bezirk von Matrei den wechselnden
Einfluss geistlicher und weltlicher Gebieter erfahren. Wo die Isel aus dem
Virgenthal hervorbricht, um mit dem Tauernbach vereinigt ihren Lauf gegen
Süden zu wenden, da bezeichnet die Nicolauskirche eine merkwürdige Stätte
christlicher Kunst, die ihren Ursprung vielleicht dem Bischof Eberhard II. im
Beginn des dreizehnten Jahrhunderts verdankt. Dem gothisirten, durch Erd-
erschütterung und Feuersbrunst heimgesuchten Gotteshause ist in dem Doppel-
presbyterium des Thurms ein Bilderschatz verblieben, der Jahrhunderte hindurch
unter Tünche verborgen geblieben war. Wenige verblichene Heiligenfiguren
hatten seit Jahrzehnten das Dasein dieser Malereien verrathen, die 1881 völlig
blossgelegt und sofort »in den prächtigsten Farben« erneuert wurden, ohne
dass eine fachmännische Untersuchung oder die Gopirung der aufgedeckten
Bilderreihe ihrer Restaurirung vorangegangen wäre.
So einfach der Grundriss des einschiffigen Langhauses, das zwar die
Balkendecke und die romanischen Fenster verloren, aber keine Erweiterung
erfahren hat, so eigenartig erscheint die Gliederung des östlich vorgelegten
Thurms durch einen Doppelchor, der unten als offene, etwas vertiefte Krypta
mit der Kirche in Verbindung steht, oben durch einen Vorbau mit Ambonen
in das Schiff herübergreift. Beim Eintritt durch das Westportal stellt sich das
Mauergitter, welches diese Seitenbühnen verbindet, dem Auge des Beschauers
als eine Schranke der Empore dar und es liegt nahe, ihre Anlage mit der
Gründung des Gotteshauses in Verbindung zu setzen; allein bei aufmerksamer
Untersuchung ergeben sich die Ambonen als Umgestaltung eines früheren,
 
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