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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Kisa, Anton Carel: Baldassare d´Anna
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0218
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188

Dr. A. Kisa: Baldassare d’Anna.

rechts ruht eine Pilgerfamilie, Mann, Frau und zwei Kinder, eine prächtig
componirte Gruppe.
Das dritte, ziemlich schwache Bild stellt die Verkündigung in der con-
ventionellen Form dar. In Composition und Zeichnung jedoch ebenso hervor-
ragend wie in der magischen Wirkung des Helldunkels ist das Gemälde an
der Rückwand der Kirche, links unter der Orgelbühne, der Besuch Mariens
bei Elisabeth. Mit einem Kusse empfängt die Matrone die heilige Jungfrau auf
der Treppe des Hauses, in dessen Thür der würdevolle, turbangeschmückte
Kopf des alten Zacharias sichtbar wird. Einige Stufen tiefer naht Joseph, eine
kräftige Figur mit energischem Kopfe, in der Hand den breitrandigen Reisehut.
Mit diesem Bilde correspondirend befindet sich an der Rückwand des rechten
Seitenschiffes die Darstellung im Tempel. Maria überreicht knieend das neu-
geborene Christuskind dem Hohenpriester, der wie ein venezianischer Doge in
langem weissen Barte, in prächtigen Brokat gekleidet, die Arme auf zwei
Diener gestützt, ihr entgegentritt. Rechts hält eine Frauengestalt eine brennende
Kerze und weiter unten, an den Stufen, bringt eine andere ein Taubenpaar
in einem Käfige als Opfergabe dar. Im Vordergründe lagert ein halbnackter
männlicher Bettler, dessen Rücken sehr breit und effectvoll gemalt ist. Man
kann dieses Bild das vorzüglichste von allen nennen, sowohl in Hinsicht auf
die geschlossene Composition wie auf die Zeichnung, namentlich den Körper
des Bettlers und der Kinder und auf die effectvolle Vertheilung von Licht und
Schatten. Das sechste Bild ist Mariä Himmelfahrt. Die Heilige wird in halb
sitzender, halb liegender Stellung von Engeln gen Himmel getragen, während
ihr die um das leere Grab gruppirten Apostel mit Staunen und Bewunderung
nachblicken. Es sind wahre Prachtgestalten darunter, namentlich der links
im Vordergründe Knieende, welcher in seinen Händen ein aufgeschlagenes Buch
hält, auf dem wir die Signatur des Malers lesen: Baidissera de Ana p.
Nun folgt die Madonna in der Glorie, eine Figur von anmuthiger Hoheit,
auf der Mondessichel stehend; unten in nächtliches Dunkel gehüllt, eine Land-
schaft mit Architektur, oben rechts schwebt Gott Vater mit ausgebreiteten
Armen der Heiligen entgegen. Die linke Ecke füllt eine Gruppe von Engeln.
Das letzte Bild zeigt uns die Krönung Mariens zur Himmelskönigin in
der gewöhnlichen Anordnung. Das Halbrund des Bildes schliesst oben eine
Engelsglorie, ähnlich der in Raphael’s Sixtina, in goldigem Dämmerscheine ab,
die aber leider durch spätere Restauration gelitten hat, ebenso wie viele Köpfe
und Hände an den anderen Gemälden. Im Ganzen jedoch sind sie besser
erhalten als das Bild in Sta. Maria Formosa. Sie sind gleich diesem auf Lein-
wand gemalt, diese aber auf Holztafeln gespannt. Umgeben von Werken der
Zopfmaler ist ihre Wirkung an dem genannten Orte eine ungleich vortheil-
haftere als die der »Sklavenbefreiung«. Ein Abglanz alter venezianischer
Farbenpracht und Formenschönheit ruht auf ihnen und lässt uns gerne manch
handwerksmässiges Detail vergessen.
 
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