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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0593

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr. k
Durch die Poft bezogen im x
ganzen Groüh. Baden l fl. V
ll) kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzcilc 2kr.
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-6K.
Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.
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MM
kV- 1Z«.
Sonntag,
2L.
September.
18L8.

Einladung znm Zlbonnewent.
Bestellungen auf unser, mit Ausnahme des Montags, täglich erscheinendes Blatt, das mit dem 1. Oktober
ein neues Ouartal beginnt, können fortwährend gemacht werden, in Heidelberg in der Buchdruckerei von Renner
und Wolff, auswärts bei allen Postämtern. Es wird in vor bisherigen Weise die entschiedenste demokratische
Richtung verfolgen, und mit allen ehrenhaften Mitteln auf das Ziel hin arbeiten, das sein Titel bezeichnet.
Die Redaktion..

Zum neuen Spiegel ves schwarzen Landsturmes.
Baden, 9 Sept. Ueter das Treiben des Pfarrers
Keerl in Mahlberg könnte man ein ganzes Buch abfassen, das
eine Zierde einer Kloftrrbibliothek werden könnte. Es gibt
Leute im badischen Ländchen, an welchen die ganze Schmach
alter Zeit erkannt und die neue mit Händen und Fingern ge-
griffen werden kann. Zu diesen gehört Eberlin in Wiesloch
und Keerl in Mablberg. Wenn solche Menschen früher nützen
sollten, nun so war es doch noch Redlichkeit der Uebcrzeugung
dessen, der sie gebrauchte, denn das Subjekt war gleich dem
Objekt. Allein heute will das Subjekt doch fast besser sein,
als das Objekt und behält das Objekt dennoch bei. Wer noch
nicht an die gefährlichste, schändlichste Reaktion glaubt, und
noch nicht weiß, daß Oberkirchenrath und Oberpfaffcnthum ei-
nerlei ist, der böre die Geschichte
des Pfaffen von Mahlberg.
Keerl ist wegen seines gestifteten Unfriedens in allen sei-
nen bisherigen Wirkungskreisen gehaßt worden. In Heidelberg
war, er Lizenziat ohne Zuhörer, der arme Teufel, der dann
als früherer Buchhändler-Lehrling, wie sein gcistes- und Hand-
werksverwandter, Winter, jung, in Heidelberg, vom Buch-
handel auf den Seclenhandel verlegt hat. Allein er war in
Heidelberg der Gegenstand des Spottes der Studenten wie der
Professoren, weshalb er sich unter den Anspicien des Prälaten
Hüffes der sich später einen Bären anbinden ließ, um eine
Profcssorenstelle bewarb. Die Sitzenkircher Religion wollte in
Heidelberg nichts gelten, sie sollte auf das Dorf kommen durch
ihn. Er kam nun in einen Flecken des Odenwaldes, wo die
Bauern rühmten, sie hätten einen „Weltskerl," weil sein wür-
diger Schullehrer Welz hieß. Doch ist unS sein dortiges
Wirken zu wenig bekannt, denn er ging einer Lynchjustiz Lurch
Herrn Hüffel's Güte bald glücklich durch und kain zur Strafe
nach Tanncnkirch, wo er sich um 500 fl. verbesserte. Diese
Summe hatte schlimmen Einfluß auf sein Gemüth. Er kannte
und kennt schlechte Bücher besser, als gute Menschen und da-
rum war sein Bleiben in Tannenkirch auch nicht lange. In
der Kirche vor dem Gottesdienste prügelte er den Lehrer da-
selbst. Der Lehrer hatte Recht und wurde auf einen schlim-
mcrn Platz versetzt, Keerl aber nochmals zur Swafe nach
Mahlberg, wo er sich wieder bedeutend verbesserte, gebetet und
gebettet; dort mag er jetzo bald 8 Jahre sein. Aber welchen
Elendes Urheber ist er dort seit jener Zeit! Er muß 200

Jahre leben, um wieder gut machen zu können, was er in so
wenig Jahren bös gemacht hat. Es lastet auf ihm erwiesener
Maßen nach den Zeugnissen der Welt und der Geistlichen der
Vorwurf des geistlichen Hochmuths, unbegrenzter Selbstsucht,
die besonders in Habsucht sich äußert, der Spionage, der ab-
sichtlichen Verbreitung des Aberglaubens, des Volksverraths
durch das M. Morgmblatt, im Vereine mit Weizel, Fauth,
Schaafs, Böhme und Eberlin, der niedrigsten Gemeinheit, in-
dem er sogar seiner schlechtgebildeten Gemahlin sich bediente,
die zu seinen, d. h. der Muckerei, Zwecken, Kartcnschlägerei
treiben mußte. Dabei hat er noch die Tugend, daß er sich
zu einer Thüre hinaus werfen läßt , um zur andern wieder
herein zu kommen.
Das heißt Genialität im Reiche der Finsterniß und des
Todes des Volkes! Darum ist er der Liebling des Ober-
kirchenrathes, der ihn jeden Sonntag leeren Stühlen predigen,
allen Verrath auöübcn und jede Gemeinheit ausübcn läßt, so
daß in Mahlberg die Zwietracht unter früher so friedlichen
Bürgern ihren Sitz aufgeschlagen hat, so daß der Bürger
dem Bürger nimmer traut, der Nachbar den Nachbar be-
feindet, der Bruder mit der Schwester, der Vater mit dem
Sohne, ja mit der Gattin zerfallen ist! O, Herr Vikar
Nollfuß, wie muff ich Sie bedauren, daß Sie nicht in Mahl-
berg sind; das gäbe eine Bruderschaft vom blutigen Herzen
Jesu! -
Denn nicht geringeren Schaden hat Keerl den umliegen-
den Gemeinden um Mahlberg gestiftet dadurch, daß er siste-
matisch und in höherem Auftrage seine höhere Bürgerschule zu
Grunde gerichtet hat. Die Gemeinden verweigern nun jeden
Beitrag, einige Schüler sind noch da, bald vielleicht keine
mehr; — zur Strafe dafür bekommt Keerl vom heiligen Ober-
kirchenrathe Urlaub — langen, langen — dem bald Zulage
folgen wird.
Es war einst Einer auf der Welt vom Himmel gekom-
men, um den Himmel auf Erden zu gründen — er hieß Je-
sus; der sprach, wie im 23sten Kapitel Les Ev. Mathäus ge-
schrieben steht, auch von Keerl und dessen Oberkirchenrath:
«Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, die ihr das Him-
melreich zuichlicßet vor den Menschen, ihr kommet nicht hin-
ein, und die hinein wollen, lasset ihr nicht hinein gehen." —
So sprach der Mann des Volkes. Das spricht jetzo das
Volk! (Seebl.)
 
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