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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0243
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dem es jedoch noch gelang, ein Stück Papier, welches er aus
der Tasche zog, zu verschlucken.

Die oberrheinische Z imng Nro. 151 enthält folgenden
Protest:
An
die Redaktion der Oberrheinischen Zeitung in Freiburg i. B.
Herr Redakteur!
Hier im Gefängniß so zu sagen abgesperrt von der
äußern Welt, erfahre ich eist heute die bereits seit mehreren
Tagen erfolgte Prorogirung ver badischen Kammer, an solche
ich am 19 den beifolgenden Protest gerichtet hatte. Obgleich
Ihnen persönlich gänzlich unbekannt, bitte ich Sie im Interesse
der Gerechtigkeit denselben in Ihrem Blatte zu veröffent-
lichen und ersuche alle andern Zeitungen ein Gleiches zu thun.
A. v. Bornstedt.
Protest. An die zweite Kammer des Großherzogthums
Baden!
Seit dem 30. April werde ich nebst mehr als 450 an-
dern Mitgliedern der „Pariser deutschen demokratischen Legion"
im noch unvollendeten Bau des Zeutral-Zellen-Gefäng-
nisseö zu Bruchsal, ohne hier bis jetzt ein Verhör bestanden
zu haben, als Gefangener festgehalten! - Ich selbst befinde
mich in einer Zelle allein, ohne dieselbe seit 3 Wochen je
verlassen, oder auch nur eine Minute frische Lust im Hofe
geschöpft zu haben! Ein junger Franzose, Namens Xavcer,
ist bereits verrückt geworden und befindet fich trotzdem noch
hier!: — Man hat mir weder einen Tisch, noch einen Stuhl
noch ein Waschbecken zum Waschen, noch einen Deckel zum
Nachtgeschirr (mirnlnlv ckiotu) gegeben, da in diesem Ge-
fängniß die no thwendigsten Gegenstände, selbst Decken
und Matratzen noch fehlen. Viele Leute schliefen 3 Wochen
lang auf der Erde, auf dem Steinboden, auf Stroh! In ei-
nigen Zellen liegen 3, 4 und mehr Mann zusammen, was
die Luft verpestet, denn die Zellen find nur 10 Schuh lang
und 7 Schuh breit. Diebe und Mörder werden also im Ge-
fängniß besser behandelt als wir! Fünf bis 6 alte Wunden
machen es mir schwer, mein Bett allein zu machen, jedoch ein
oberer Befehl gestattet dem Verwalter nicht, mir einen Ge-
sellschafter zu geben, obgleich fich Hunderte von Gefangenen,
aus Anhänglichkeit an meine Grundsätze und an meine Person
dazu angeboten haben! — Geziemt aber eine solche Behand-
lungsweise politischen Gefangenen im neunzehnten Jahrhun-
dert? All mein Geld ist mir bis auf den letzten Heller
durch obern Befehl, aus Lörrach, (der Befehl kam vom würt-
tembergischen General-Lieutenant von Miller) hier im Ge-
fängniß confiszirt worden, um unter die Soldaten, welche mich
gefangen genommen, wie der Befehl sagt, als Kriegs-
beute verthcilt zu werden!!! All' meine Bagage ist mir
im Gefecht bei Dossenbach geplündert worden, so daß ich seit
3 Wochen in denselben Kleidern stecken bleiben mußte! Selbst
um Papier und Dinte zu kaufen und meinen Studien und Ar-
beiten mich auch im Gefängniß widmen zu können, sind mir
durch die Konfiskation all' meines Geldes die Mittel geraubt
worden. — Ich ward also Wochen lang zum Müßiggang

gezwungen! — So protestire ich denn hiermit vor der badi-
schen Kammer, Angesichts des ganzen deutschen Volks, gegen
eine solche Behandlungsweise politischer Gefangenen! Äan
verurtheile und bestrafe mich als Anführer einer republi-
kanischen Legion, der Auflehnung gegen die bestehende Ord-
nung, wenn sie uns überweisen, so strenge als man will,
aber jeder rechtliche Mann in der bad. Kammer, zu wel-
chem politischen Glauben er sich auch bekenne, wird nicht an-
stehen, eine Dehandlungsweise, wie ich und meine Brüder und
Kameraden sie hier erdulden, ungesetzlich, willkührlich und die
Menschheit erniedrigend zu finden. - Mein Rasier-, Brod-
und Federmesser, meine Scheere, Alles ist mir in kleinlicher
Verfolgungssucht ab genommen worden, so daß ich nicht ein-
mal die Feder, mit welcher ich schreibe, neu schneiden kann,
so daß ich ohne Messer und Gabel, mit den Fingern essen
muß! In der Hoffnung, daß dieser kl ein-russisch en Will-
kür bald ein Ende gemacht und endlich eine Untersuchungskom-
mission zur Abstellung der Mißbräuche hierher gesendet werde,
habe ich diesen Protest an die 2. bad. Kammer gerichtet und
zeichne mich in dieser Erwartung
A. v. Bornstedt,
Vize-Präsident der deutschen Pariser
demokratischen Legion.
Im Neubau des Zentral-Zellengefäugnisses zu
Bruchsal, Zelle Nro. 7 des dritten Stockwerks.
Den 19. Mai 1848.
Ich bitte den Herrn Redakteur im Namen aller Gefange-
nen eine paar beredte Worte zu schreiben. Viele Leute haben
Ungeziefer. Seit einem Monat bin ich hier ohne Bad, ohne
Bewegung. Oft ist das Gemüse abscheulich. Die Leute hun-
gern. Wer kein Geld hat ist unglücklich. Was mich anbe-
trifft, so bin ich an Entbehrungen gewöhnt, fest und gesund,
und ewig Republikaner! Abends rufen die Leute mir aus
der Zelle zu: Es lebe Bornstedt! Das ist mir Trost genug.

(Krklärrmg.
Wenn wir nochmals die Feder ergreifen, um gegen die
über Gagern's Tod ausgcstreuten Verleumdungen aufzutretcn,
welchen Offiziere, Reitknechte und Soldaten durch eidliche Er-
härtung den Anschein der Wahrheit zu geben, sich bereit er-
klären, so geschieht dieses nur, weil eine in Nr. 139 der
„Augsb. Allg. Ztg." erschienene Erklärung des Obersten von
Hinketdey so freche Lügen producirt, daß es nothwendig wird,
dem Gedächtniß dieses Junker Don Quirote durch Zusammen-
stellung seiner eigenen Angaben etwas nachzuhelfen.
Der Edle v. Hinkeldey sagt in seinem offiziellen Berichte
an das Kriegsministerium unter Anderm:
Durch rasches Verfolgen erreichte unsere Spitze die Nach-
hut der Rebellen hinter Kandern, wo Gcnerallieutenant Gagern
den Führer derselben, Hecker, vorrufen ließ und diesen erneu-
ert zum Niederlegen der Waffen aufforderte. Aber vergebens.
Es fiel kein Schuß, wir folgten in das Gebirge nach.
In Nr. 139 der Augsb. Allg. Zeitung sagt derselbe Kr.
v. Hinkeldep:
An der Brücke hinter Kandern nahm der edle v. Gagern
nochmals Rücksprache mit mir und machte mir die feste Er-
 
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