Geistes verhinderte zwar ein sehr anhaltendes Studium eines
und desselben Gegenstandes, wodurch er nicht war, was man
gründlich gelehrt uennt, aber sie beförderte die Vielseitigkeit
seiner Bildung — es gab keine Kunst, keine Wissenschaft, die
er nicht wenigstens einmal in seinem Leben getrieben; zu den
ihn anziehenden kehrte er dann immer wieder von Zeit zu Zeit
zurück. Bei der Erziehung seines Sohnes hatte diesem der
geistige Durst seines Vaters viel genutzt — Kinder sind sa
am besten mit Beispielen zu erziehen.
Jetzt, heute, wollte sich der Freiherr noch eifriger als
sonst in seine Studien vertiefen. Ein berühmter Gelehrter,
sein Freund, hatte ihm sein neuestes Werk iin Mauuscript
zur Prüsung zugeschickt. Obgleich nun Cosmus von der ge-
wöhnlichen Eitelkeit dilettirender Gelehrten frei war, so freute
ihn doch diese Anerkennung seiner Urtheilskraft und seiner
Bildung ungemein.
Leute vom Fach sollten überhaupt, wenn sie ein unbe-
fangnes Urtheil über ihre Werke zu hören wünschen, dieselben
an Dilettanten zur Durchsicht geben, obgleich es gewöhnlich
unigekehrt der Fall ist. Erstens sind sie dann sicher, dasi ihr
Buch gelesen wird und zwar gerne gelesen wird, im Gefühle
grüner richterlicher Eitelkeit. Dann hören sie ein unbefangnes,
frisches, von Nücksichten unverkümmertes Urtheil, während im
entgegengesetzten Falle die Zeichen unendlich ungünstiger stehn.
Wir wollen zum Beispiel einen Schriftsteller der harmlosesten
Sorte, den lyrischen Dichter nennen. Wie unglücklich ist er,
wenn ihm von irgend einem dilettireudeu Schöngeist ein
Paquet weißen, mit regelmäßigen Zeilen beschriebenen Papiers,
mit der Bitte um „gütige Beurtheilung" in die Hand gedrückt
wird!
Verse ^— ruft er heimkehrend aus, indenr er mit kläg-
lichem Gesicht die Nolle aus der Tasche zieht, -— Verse, die
ich lesen soll!