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Willivald Beyschlag.

1. Eine Fenznacht.

Äald kehrt der Lenz! — O kehrte noch cinmal
Der letztvergangne, zages Herz, dir wieder!

O sänke einmal noch oom Himmcl nieder
Die laue Nacht mir aus das schönste Thal,

Und leuchtete des Mondes lieber Strahl
Noch einmal mir nach jenem Dorf hcrnieder!

Hell über's Elbthal flog der Sonnenglanz
Des ersten MaitagS; ans den dunkeln Grüften
Schlüpsten Citronenfalter: jetzt von Lüften
Anfwärts getragen: jetzt in leichtem Tanz
Hinstreifend an dem frischen Blumenkranz
Des jähen Gießbachs, naschend an Blüthendüften.

Jch ihncn nach, die Schlncht hinab, hinauf:

Ein fröhlich Kind, das nicht versteht zu schonen, —
Frisch griff ich zu; die leichteste der Kronen
Setzt ich mir selbft aus grünem C'phen auf
Nnd brach an Busch und Fels und Bach zu Haus
Mir Veilchen, Schlüsselblumen, Anemonen.

So fand am Rand des Abhangs mich die Nacht;
Drunten das Mondlicht, zitternd in dem Schäumen
Dcs wilden BachS; von blühnden Kirschenbänmcn,
Von tausend Frühlingsblumen, heut erwacht,

Wehte dcr Duft empor; — in dunkler Pracht
Ruhte die Schlucht; auf ihr mein wirres Träum en.

Und Knospe, träumt ich, war im Blüthenchor
Mein eigen Herz; in lebensfrohem Glühen
Nlang sich im Kampf mit tausend dunkeln Mühen
Die Knospe ahnungsvoll zum Licht empor;

„O öffne, ricf sie, doch auch mir das Thor,

„Du süßer Lenz, und laß mich endlich blnhen!
 
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