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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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3. Ausstellungsheft
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Renard, Edmund: Die kunsthistorische Ausstellung Düsseldorf 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0370
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Wandteppich aus dem Wespienschen Hause in Aachen.


worden sei. Eine frühgotische geschlossene
Kasel aus dem Besitz des Professors Ernst Roeber
in Berlin vergegenwärtigt mit ihren eingewebten
silbernen Tierfiguren die sizilianische Seiden-
weberei des 14. Jahrhunderts, die seit der Wende
des 12. Jahrhunderts ziemlich selbständige Wege
eingeschlagen hat.
Alle diese Stücke überragt an künstlerischer
Bedeutung und durch die historischen Be-
ziehungen eine gestickte Kasel aus der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts; sie rührt aus Alten-
berg a. d. Lahn, dem Kloster der hl. Gertrud,
der Tochter der hl. Elisabeth, her und gilt deshalb
in der Überlieferung als das Brautgewand der
hl. Elisabeth. In Wirklichkeit haben wir es
mit einem im Spätmittelalter zu einer Kasel ver-
schnittenen Krönungsmantel zu thun; die eng-
lische Herkunft wird nicht allein durch die
grofsen streng stilisierten Leoparden des eng-
lischen Wappens, sondern auch durch die ganze
Ornamentik und die Technik bezeugt, so be-
sonders die Laubwerkfüllung des Grundes mit
den kleinen Figürchen und den reichen Appliken
aus Glas, Perlen u. s. w. (Abb. S. 34).
Für das 15. und 16. Jahrhundert weist die
Viktorskirche in Xanten einen Paramentenschatz
auf, der von keiner anderen Kirche Westdeutsch-
lands übertroffen wird. Der Reichtum der
rheinischen und westfälischen Kirchen an Para-
menten der Spätgotik und der Renaissance ist
sehr grofs; es konnte sich aber bei der Aus-
stellung nur um eine kleine sorgfältige Auswahl
handeln, wenn nicht die Abteilung der kirchlichen
Paramentik räumlich allzusehr in den Vordergrund
treten sollte. Bei dieser beschränkten, repräsen-
tativen Vertretung steht naturgemäfs der Schatz
der Xantener Viktorskirche an der Spitze. Die

Sammete und Brokate sind — wie man heute
annimmt — wohl durchweg Venetianer, nicht
niederländische Fabrikate. Während des 15. Jahr-
hunderts hat die Kölner Borde als Besatz der
Kasel eine sehr weite Verbreitung gefunden;
dieses spezifisch kölnische Erzeugnis, auf kleinem
Handstuhl gewirkt und mit Einzelfiguren, In-
schriften und Ornamenten versehen, überrascht
heute durchweg durch die vorzügliche Erhaltung,
selbst bei Kasein, die in allen Jahrhunderten in
Gebrauch gewesen sind. Für die schwierigste
Art der Stickerei, die Bouillonstickerei von Relief-
figuren und freiliegenden Ranken, tritt Xanten
mit zwei blauen Levitenröcken des 15. Jahr-
hunderts ein. An vornehmer ruhiger Wirkung
kommt vielleicht kein Parament der Ryswickschen
Kapelle des Xantener Domes aus der Mitte des
16. Jahrhunderts gleich; der grofsgemusterte und
in zwei Höhen geschorene violette Sammetbrokat
geht mit den feinen Goldstickereien italienischen
Charakters zu einer prächtigen einheitlichen
Wirkung zusammen. Nur wenige Paramente
aus den übrigen Kirchen können neben den
Xantener Paramenten würdig bestehen, so z. B.
die schöne Kasel des 15. Jahrhunderts mit dem
Stammbaum Christi aus der Kirche in Bocholt
und die flandrische Kasel vom Jahre 1509 aus
der Erkelenzer Pfarrkirche. Um wenigstens eine
Probe von der Paramentik des 18. Jahrhunderts
zu geben, ist der Kölner Dom mit einem Chor-
mantel, einem Velum und zwei Mitren der
Clementinischen Kapelle eingetreten. Es ist das
Prunkhafteste und Sorgfältigste an reliefierter
Goldstickerei auf weifser Seide jener Zeit, wahr-
scheinlich französische Arbeit aus Lyon. Kur-
fürst Clemens August von Köln liefs die aus
22 Stücken bestehende Kapelle eigens zu der

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