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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0462
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der englischen Kunst findet. Die Landschaf-
ten erinnern daher fast durchweg an wohl-
gepflegte Parks, und in den Porträts erkennt
man Leute, die auf gute Kleidung halten und
etwas vom Sport verstehen, während aus
den Allegorien ein zierlicher Salon-Katholizis-
mus spricht, nicht das Asketische der Eng-
länder, eine süfse Sinnlichkeit, ein Gefallen
am Martyrium.
Die Kunst der jungen Wiener spricht sich
am deutlichsten in dem hier ausgestellten
Oktogon-Interieur aus. Wir sehen hier das
Traditionelle in der festen Basis des Empire,
aus dem der erste moderne Wiener Archi-
tekt, Otto Wagner, den neuen Formenschatz
ableitet, verbunden, wenn auch hier nur in
zarten geistigen Anklängen, mit all den orien-
talischen Einflüssen, die sich an den Grenzen
des österreichischen Ländergebiets brechen.
Das Zimmer ist ein kleines Meisterstück. Ein
solches Zimmer ist die rechte Folie für die
Malereien der jungen Wiener. Ihre Säle
machen einen ganz eigenen Eindruck. Ähn-
lich grundverschieden von der deutschen
Malerei ist nur noch die englische. Man
glaubt, diese Maler arbeiten alle im Frack.
Eine Kunst für und von Aristokraten scheint
die ihre, wenn auch für und von etwas ver-
weichlichten, dandyhaften Aristokraten. Ein
mondäner, mystisch- und courtisanenhafter
Zug mischt sich zugleich in ihnen. Das ist
uneuropäisch, ungermanisch, ist orientalisch.
Diese Kunst scheint ausschliefslich eine Kunst
für Frauen zu sein, für diese Wiener Frauen,
so unmännlich erscheint sie, für diese weichen,
lässigen, üppigen Frauen, deren Wesen Tilgner
in seiner Büste der Frau W. so ganz erfafst hat,
diese üppigen, lässigen, sinnlich-sentimentalen
Frauen, die wie bei allen degenerierten Rassen
noch wundervoll auf blühen, wenn der Mann
schon ziemlich verfallen. Als ein Zeichen der
Degeneration könnte man bei den Künstlern
Wiens auch das Kokettieren mit der nationalen
Eigenart betrachten. Ein Zeichen der Degene-
ration ist auch das heifse Schwelgen in völlig
formlosen und aufgelösten Farben, die schliefslich
eine krampfhafte Linie künstlich binden soll.
Genau betrachtet, sind die Arbeiten der jungen
Wiener als Malereien schwach, recht schwach.
Da, wo sie in die reine Dekoration münden,
noch am annehmbarsten. Genau betrachtet
steckt in den Bildern der jungen Wiener nicht
mehr Können, wie in denen der älteren. Sie
sehen nur auf eine andere Art. Ob diese Art,
die Tüpfel-Technik des Neo-Impressionisten, eine
sehr wertvolle Errungenschaft ist, bleibt zu be-
zweifeln. Zum Ausdruck des Wiener Wesens
scheint sie mir zudem nicht sonderlich geeignet.
Da drücken die hin und wieder vorkommenden,
weichen, verschleierten Akkorde weit mehr aus,
denn jene grellen, harten, bunten, wie wir sie

Käthe Kollwitz, Berlin
Aus dem Weberaufstand
vor allem in den Bildern des Moll finden. Die
eigenartigste Persönlichkeit der jungen Wiener
ist zweifelsohne Klimt. Und unter seinen
Werken das seltsame Capriccio: „Goldfische“
und seine „Pallas“. Als Porträtist ist er nicht
von Wert. Vor allem erkennt man in seinen
Bildern die Wienerin nicht. — Orlik, der in
Japan gearbeitet hat, gliedert sich mit den Ein-
flüssen dieses Landes unauffällig in den Rahmen
der Sezession ein, und auch der sehr begabte
Ferdinand Andri, in dessen Kunst stark slawische
Töne durchbrechen. Aber er pafst mit seinem
primitiv grellen Kolorismus — seine Bilder wirken
wie grobe Mosaiken — in den Rahmen dieser
exotischen Kunst. So ist denn die Kunst der
Wiener trotz ihrer komplizierten Zusammen-
setzung beinahe die einheitlichste. Es giebt
dort nicht in grellem Gegensatz Naturalisten und
Romantiker, die verschiedensten Darstellungs-
gebiete brechen sich alle unter dem gleichen
Spiegel zu einem kalleidoskopischen Mosaik.
Die Plastik.
In der ersten Hälfte des ig. Jahrhunderts ist
die Plastik, wie alle Künste, eine epigonenhafte.
Sie stand unter dem Zeichen desThorwaldsen und
Rauch. Schadows realistische Versuche blieben
vereinzelt, sie scheiterten an der Kleiderfrage, die

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