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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Klein, Rudolf: Die Deutschnationale Kunstausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0463
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die Griechen nicht in unserem Sinne kannten,
die Meunier auf eigene Art zu lösen sucht und
an der noch heute die meisten Denkmalentwürfe
leiden. Man sieht hieran deutlich, dafs es keine
realistische Bildhauerkunst geben kann, sondern
nur eine idealistische, d. h. nur eine solche, die
sich mit Ewigkeitsfragen abgiebt und nicht mit
den Erscheinungen des Alltags. Die Kunst
des Rodin wird deshalb stets nur eine geist-
reiche Episode bleiben und die Meuniers der
rechte Versuch unter ungünstigsten Bedingungen.
Dieser tiefe Widersinn in unserer heutigen
Plastik, die an Darstellungsmotiven naturgemäfs
verarmen mufste, offenbarte sich am ehesten in
der Denkmalfrage. Feinere Köpfe erkannten bald,
dafs diese Denkmale die reinen Kunstmorde seien
und suchten, wie Bruno Schmitz, die Frage
architektonisch zu lösen, auf welche Art neuer-
dings Kreis sein grofsartiges Bismarck-Pantheon
gedacht hat und Schaudt-Lederer ihren nicht
üblen Bismarck-Roland. Man erkennt hieran, dafs
es eine bedeutende Plastik nur als Teil einer be-
deutenden Architektur geben kann. Werden wir
eine solche in Zukunft haben, so ist vielleicht
eine Plastik-Epoche auch für die Deutschen denk-
bar, da, unter einem weiten Gesichtswinkel be-
trachtet, die Geistesrichtung diesmal auf sie weisen
könnte. Was heute geschaffen wird, ist nur spora-
disch gut. Der in Wien verstorbene Tilgner und
Begas sind die begabtesten der in barocker
Formensprache arbeitenden Epigonen. ImSchlofs-
brunnen und mancher Frauenfigur hat Begas,
dieses Makarttemperament, gezeigt, was wertvoll
an ihm ist, in seinem Bismarckdenkmal, wie
wenig auf seine Art solche Aufgaben gelöst werden
können. Der direkte Gegenpol dieser Künstler
ist Adolf Hildebrand. Sein grofser Wert besteht
in seiner aufserordentlichen Kenntnis der Kunst-
gesetze. Aber er ist nicht Individualität genug,
seine Figuren mit eigenem Leben zu füllen.
Er ist der geistvollste Epigone der Antike,
ein Epigone innerer, nicht äufserer Art. Seine
Schöpfungen sind in formaler Beziehung voll-
endet, aber kalt, inhaltleer. Er stand lange Zeit
allein, als einige Plastiker-Dilettanten von sich
reden machten. Es wurde unter den Malern
Sitte zu skulpieren. Stuck war, glaube ich, der
erste, dann folgte Klinger nach. Stuck hat nur

die Kleinplastik gepflegt, aber ausgezeichnet, und
kann auf diesem Gebiet noch heute neben
Hildebrand und Klinger als der beste gelten,
während er als Maler ja bedenklich nachliefs.
Sein formales Können, dem in der Malerei der
Inhalt schwand, kommt ihm hier sehr zu statten,
und die Formbehandlung, aus dem Material heraus-
gedacht, ist vorzüglich. Seine Bronzen ,,Diana“,
der „Athlet“, „Kentaur“, die „Tänzerin“ sind die
bekannten Proben. Wie in seiner Malerei, so
wirkt er auch hier römisch, so römisch wie
Hildebrandt hellenisch. Eine brutale Sinnlichkeit
ist ihr Grundzug. Die Plastiken Klingers stehen
auf ganz anderem Gebiet. Formal sind sie nicht
immer sympathisch, sie wirken manchmal
kleinlich, gelehrtenhaft, bei aller Vollendetheit,
während sie inhaltlich alles andere überragen.
So ist seine „Salome“ wie neuerdings sein „Beet-
hoven“ zweifelsohne eine bedeutende Leistung,
aber gerade dieser wirkt beinahe alexandrinisch.
Eine Plastik für das Freie zu schaffen, scheint
Klinger nicht fähig. Man sieht ihnen allen die
mühsame Atelierarbeit an und wirken sie, als
seien sie fürs Museum gearbeitet. — Neuerdings
traten in Berlin Max Kruse und etwas später
August Gaul hervor. Als Porträtbildhauer in
Holz hat Kruse besonders von sich reden ge-
macht und dann mit seiner Gruppe „Adam und
Eva“, die ein entzückendes Gedicht junger Liebe
ist. Gaul ist hervorragend als Tierplastiker.
Anfangs waren junge spielende Bären seine
Spezialität, aber bald erweiterte er sein Gebiet
und hat sich als ein Meister der Beobachtung
und Gestaltung erwiesen, bis er in seiner „Löwin“
sein bisher bestes Werk gab. — Die im gewissen
Sinne vielleicht hervorragendsten Werke neuer
deutscher Plastik sind wohl die Brunnen des
Hermann Obrist. Aus der Tiefe des deutschen
Gemüts geschöpft, bricht in ihnen der Geist der
Tradition so durch, dafs ihnen das Stigma der
Zeit fehlt, und sind sie aus Zweck und Material
gedacht so organisch, wie sonst nur die Schöpfun-
gen der Natur selbst und die grofsen Kunstwerke,
deren Wesen sie in aller Bescheidenheit ein
wirksames Denkmal sind und allen Lernenden
ein Paradigma sein sollten, dessen innerstes
Wesen begriffen zu haben die erste Notwendigkeit
für den Schaffenden ist. Rudolf Klein.

A. Frenz
 
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