Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]: Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein (5.1902/1903)

Karneval vor seinem Osscblecbtsnamen fübrte,
weil er, wie das Mädcben ans der Dremde, all-
Mbrlick urn dieselbe Zeit nrn Karneval mit seiner
bocbragenden Oestalt in Düsseldorf sicbtbar
wurde. Dasjenige, was die Lamstags-Kedoute
vor allen andern grossen und äbnlicben Ver-
anstaltungen aus^eicknet, ist der Omstand, dafs
rnan sofort den Eindruck und das Bewufstsein
erkält, sicb in der besten und feinsten Oesell-
scbalt 2n bebnden. Debenslust und Drobsinn
verbinden sicb rnit vollendeter Delikatesse der
gesellscbaftlicben Dörmen. Die Besucber selbst
sink in ibrer Kostümierung an keine stilistiscben
Vorscbriften gebunden. Die Wabl ibrer l'racbten
ist iknen überlassen; rnit der alleinigen Be-
sckränkung, dafs der Domino das trübselige
Keservat-Kecbt der Berren von über 50 ^akren
ausmacbt. Ond gerade diese Zerren baben xu
Beginn, oder besser gesagt vor Beginn der Dest-
aukkübrung den sckwierigsten und aufregendsten
Bosten. Ibnen fällt die ?war ebrenvolls, aber
furcbtbare Aufgabe 2U, die Blatte 2U verwabren.
Dine Aufgabe, die Kaltblütigkeit, passiven 1rot2
und selbsttätigen Heldenmut in gleicben Dosen
erfordert. Das De? aut dem melierten Kopfs,
die falscke, funkelrote blase im Oesicbt und den
Domino um die Denden sitzen sie am Kopfende
eines l'iscbes, an dem sie fünf Stükle baben
umlegen lassen, wäkrend 2wei auf die lafel
gestellte Dlascben Wein und 6 kleine Imbils-
brötcben die Degitimitst dieser Omlage erbärten
sollen. Anfangs gebt es gut, ^e mebr aber der
beiger der Obr vorrückt, um so scbwieriger wird
ikre Dage, da sick fast in ^eder Minute eine
neue frevelnde Band nacb den umgekippten
Stüklen ausstreckt. Wellington kann kaum die
Ankunft Blücbers seknlicber berbeigewünscbt
baben, als ein solcber Kedoutenvater diejenige

seiner Damilie. ^m Destabende stebt die l'on-
balle in 2Luberbafter Bracbt, in sckillerndem
Darbenglan^e vor dem ^.uge der Besucker. Das
Podium des grofsen Saales ist der 8cbau- und
1ummelplat2 der maleriscben Ereignisse. Biesen-
grofs spannt sicb allMbrlicb breit über den
Hintergrund ein gewaltiges Qemälde, das den
bildlicben Kabmen für die Bandlung darstellt,
^ede dieser mäcbtigen bemalten Deinwandbäcben
ist ein Zeugnis für die Opferwilligkeit und den
Oemeinsinn, der in unsrer Künstlerscbaft sicb
seit langen ^abren fortgeerbt und erkalten bat.
Die besten und berübmtesten Meister erbieten
sicb 2ur Ausmalung des Prospektes und, wer
von der Olasballe die Veranda-'Dreppe binab den
Weg 2um alten verscbwiegenen Sommerlokale
2u bnden weils, kann dort die Künstler bei der
Arbeit belauscben. Männer, deren Barnen in
der Kunstwelt einen vollen tönenden Klang baben,
bepinseln riesige Dläcben von Sackleinwand,
andere malen Kulissen und Versatzstücke, und
ernstbalte Plastiker, denen sonst eigentlicb nur
der Jupiter von Otricoli und der von den Scklangen
gebändigte Dsokoon der Bsacbtung wert er-
scbeinen, formen aus Watte, Werg, Bokrstäben
und Pappstücken pbantastiscbe Ongebeuer, bei
deren Anblick selbst den Böllenbund ein Qefübl
des Beides überkommen mülste. Punkt 8^/2 Obr
beginnt das Destspiel und, wenn der Vorbang
fällt, ^iebt ein lautes bewunderndes durcb
die Dlucbt der Säle. Die Dangen recken ibre
Bälse nocb länger und niedlicbe Damen steigen,
um besser geben xu können, auf Stüble, wobei
es für die Kavaliere eine besonders angenebme
Minnepbickt ist, ibnen ?um sicbern und festen
Sieben bebissen und ?u Diensten 2U sein. Ist
das Destspiel 2U Bnde, bewegt sicb der Zug
durcb die Destkallen und dann verbiegt er gleicb



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