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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 14.1907

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Heftt 11
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Wygodzinski, Wilhelm: Handzeichnungen
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Beethovens Begräbnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.26457#0179
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man so zu ihr, dann bereichert und beglückt dies Ver-
hältnis wie das zu jenen Freunden, deren verstehende
und immer gleichbleibcndc Güte nach Last und Druck
des harten Tages im Dämmern unsere Unruhe und
Sehnsucht auf eine Stunde cinwiegt.
Aber ihr, ihr Künstler, vor allem ihr jungen Künstler,
macht es uns nicht gar zu schwer, wenn wir bescheidenen
Sammler ein flüchtiges Blatt von eurer Hand erwerben
wollen, aus dem uns eure Art anmutcnd anspricht; ein
Blatt, das ihr vielleicht achtlos in einer Ecke hättet ver-
stauben lassen. Haltet unö nicht immer wieder nut
Menzel entgegen, daß es zehn Jahre Arbeit erfordert
hätte, um so ein Blatt in zehn Minuten zeichnen zu
können. Einmal — verzeiht! — seid ihr vielleicht noch
kein Menzel, wenn ihr auch andere liebenswerte
Eigenschaften haben mögt, die dem strengen kleinen
Kunstgreise fehlten; und dann, denkt ihr denn, es
gäbe irgend ein anderes menschliches Tun, das zu
einer anständigen Höhe zu bringen nicht lange harte
Arbeit erforderte? Laßt euch eure Bilder jo teuer
bezahlen, als das deutsche Volk nur irgend kann und
mag; uns Sammler von Zeichnungen aber behandelt
als eure Freunde und macht unö gnädige Bedingungen.
W. Wygodzinski.

^Heethovens Begräbnis.*
Am 7. Mai 1824 wurde die neunte Sym-
phonie zum erstenmal gespielt. Im Kärntner-
tor-Theater. Umlauf dirigierte, Beethoven stand neben
ihm. Schindler berichtet: „Die Logen-Abonnentcn hatten
für ihre Plätze keinen Heller bezahlt, der Hof nicht
einen Groschen geschickt, was doch bei den gewöhnlichsten
Benefizen zu geschehen pflegte. Daheim überreichte man
Beethoven den Kaffenrapport. Bei diesem Anblick brach
er in sich zusammen. Wir rafften ihn auf und legten
ihn ini grünen Frack auf das Sofa. Bis spät in der
Nacht verweilten wir an seiner Seite: Kein Verlangen
nach Speise oder anderem, kein lautes Wort war mehl-
hörbar." Und nun gar seine letzte Kammermusik ver-
stand kein Mensch mehr. „Konfuses Zeug" sagte Grill-
parzer. Er kam aus der Mode. Sie hatten wieder
einen erledigt. Nun war er ganz einsam. Er wurde
krank. Und jetzt noch die Furcht vor der Not! Er
konnte nicht mehr verdienen. Was dann? Und er
hatte keinen in der ganzen Stadt, dem cr sich ver-
trauen wollte. Ihm wurde bang. Da schrieb er nach
England:
„Leider! liege ich schon seit Z. Dez. an der Wasser-
sucht darnieder. Sie können denken, in welche Lage
mich dieses bringt. Ich lebe gewöhnlich nur von den:
Ertrage meiner Geisteswerke, habe Alles für mich, für
meinen Karl davon zu schaffen. Leider! seit 2ft- Monaten
war ich nicht imstande, eine Note zu schreiben. Mein

* Aus „Wien" von Hermann Bahr, in der Sammlung
„Städte und Landschaften" (Carl Krabbe Verlag Erich Guß-
mann, Stuttgart, Preis 2 Mark). Solcher interessanten Über-
lieferungen enthält das amüsante Werk eine wahrhafte Fülle.
Siehe die Besprechung am Schluß des Heftes. Die Red.

Gehalt beträgt so viel, daß ich davon den Wohnungs-
zinö bestreiten kann, dann bleiben noch einige Hundert
Gulden übrig. Bedenken Sie, daß sich das Ende
meiner Krankheit noch gar nicht bestimmen läßt, und
es endlich nicht möglich sein wird, gleich mit vollen
Segeln auf dem Pegasus durch die Lüfte zu segeln.
Arzt, Chirurguö, Apotheker, alles wird bezahlt werden
müssen. - Ich erinnere mich recht wohl, daß die
Philharmonische Gesellschaft vor mehreren Jahren
ein Konzert zu meinem Besten geben wollte. Es
wäre für mich ein Glück, wenn sie jetzt diesen Vor-
satz von neuem fasten wollte, ich würde vielleicht
aus aller nur bevorstehenden Verlegenheit doch ge-
rettet werden können. Ich schreibe deswegen an Sir
G. Smart, und können Sie, werter Freund, etwas
zu diesem Zwecke beitragen, so bitte ich Sie, sich mit
ihm zu vereinigen; auch an Moscheles wird deshalb
geschrieben und in Vereinigung aller meiner Freunde
glaube ich, daß sich in dieser Sache doch etwas für
mich wird tun lassen."
Die Philharmonische Gesellschaft antwortete, indem
sie durch Moscheles hundert Pftind schickte, „mit dem
ausdrücklichen Vorbehalte, ihm durch Veranstaltung eines
großen Konzerts noch einen bedeutenden Nachtrag zu
widmen". Vermittler war ein Herr Rau, Erzieher
im Hause des Bankiers Eskeles. Er berichtete an
Moscheles:
„Dein Schreiben, welches ich zugleich mit den für
Beethoven übcrschicktcn hundert Pfund empfing, setzte
uns in ebenso großes Staunen als Bewunderung. Der
große, in ganz Europa mit Recht verehrte, hochgepriesene
Mann, der edelste, gutherzigste Mensch liegt in Wien
in der größten Not auf seinem Krankenlager zwischen
Leben und Tod! und dies müssen wir aus London
erfahren; von dort eilt man, ihm sein Elend, seinen
Kummer zu mildern, ihn mit Hochherzigkeit vor Ver-
zweiflung zu retten. Ich fuhr auf der Stelle zu ihm,
um mich von seiner Lage zu überzeugen und ihm die
bevorstehende Hilfe anzuzeigen. Es war herzzerreißend,
ihn zu sehen, wie er seine Hände faltete und sich bei-
nahe in Tränen der Freude und des Dankes auflöste.
Wie belohnend und beseligend wäre es für euch, ihr
großmütigen Menschen gewesen, wenn ihr Zeugen dieser
höchst rührenden Szene hättet sein können!"
So hatte Beethoven durch Engländer noch eine
letzte Freude. Ein paar Tage später, am 26. März 1827,
starb er. Jetzt erinnerten sich die Wiener. Er wurde
mit dem größten Pomp begraben. Da war ganz Wien
dabei; im Begraben sind sie groß. Bezahlt wurde cs
aber mit dem englischen Geld. Schindler schrieb: „Die
Philharmonische Gesellschaft hat die Ehre, diesen großen
Mann von ihrem Gelbe beerdigt zu haben, denn ohne
dieses konnten wir eS nicht anständig tun. Alles schrie:
,Welche Schande für Österreich! DaS soll man nicht
angehen lassen. Alles wird dazu beitragest, allein es
blieb beim Schreien." Man ließ eö vom englischen
Gclde bezahlen, war aber ungeheuer beleidigt. Von
allen Seiten ging es jetzt loö. Eine Frechheit von den
Engländern! Waö geht sie Beethoven an, unser Beet-
hoven? Wie können sie sich unterstehen? Man wütete,
man tobte. Und an die Augsburger Allgemeine Zeitung

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