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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 1
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Rüttenauer, Benno: Herbstwanderung im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0028
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Der elsässer Dia-
lekt ist hier verschrift-
dcutschl, hört sich
aber noch deutlich
durch; interessant ist
das sonst ungebräuch-
liche Fremdwort.
Das Wort „Wasser"
aber ist mit konstan-
ter Bosheit klein ge-
schrieben.
Bei diesem Spruch
dachte ich an einen
andern:
Zu Thann im „Rangen",
Zu Gebweiler in der „Wannen",
Zu Türkheim im „Brand"
Wächst der beste Wein im Land, ^
Doch gegen den Reichenweierer „Sporen"
Haben sie all' das Spiel verloren.
Ich beschloß also bei mir, noch den Abend nach
Reichenweier (Riechewyer) zu wandern. Der Weg ging
unausgesetzt durch Reben, die im Elsaß überall sehr
hoch gehalten sind. Trotz des Sonntags begegneten mir
eine Menge Fuhrwerke, teils mit Pferden, teils mit
Ochsen - auch solche mit Eseln - (welchem Tier man
drüben in Baden gar nicht, hier aber aus Schritt und
Tritt begegnet). Auch gespannlose Wagen standen überall
längs des Weges. Sie trugen riesige Kufen, nebst
Bütten, Kübeln, Eimern und was dazu gehört. Denn
am andern Morgen mit Tagesanbruch sollte die Wein-
lese beginnen.
Das merkte man auch in Reichenweier. In allen
Höfen, an allen Brunnen wurde hier bis spät in die
Nacht geschwenkt, gespült, gescheuert. Und in was für
Höfe sah ich da hinein! Ich habe davon einige Bilder
genommen, die aber den rheinischen Leser nicht sowohl
fremd als anheimelnd berühren werden. Der Ort liegt
steil den Berg hinaus. Alles deutet hier auf altkonstante
Zustände. Gegenwart und Vergangenheit scheiden sich
kaum. Wir Deutschen kennen genug Orte, am Neckar,
Main und Rhein, von ähn-
licher Physiognomie; der
Franzose dagegen muß sich
hier Vorkommen wie in einem
Märchen.
In der „Granate" über-
zeugte ich mich, daß der
Wein vom „Sporen" seinen
alten Ruhm wohl verdient.
Er würde sogar verdienen,
über die Heimat hinaus einen
Namen zu haben. Aber
von elsässer Weinen weiß
die Welt nichts. Sie werden

im Lande getrunken,
die besten nicht aus-
genommen. Sie sind
„Landweine". Das
heißt: sie werden so-
gar viel im Ausland
getrunken. Man weiß
es nur nicht. Rhei-
nische Großwein-
händler, besonders
aber solche von der
Mosel, kaufen hier
massenhaft ein Ich
bin selber mit dem
Vertreter einer großen
Firma in Trier drei-
mal an verschiedenen
Orten beim „Wein-
sticher", der ja in der
Regel auch Wirt ist,
zusammengetroffen.
Der Mann lächelte mir zuletzt zu, wie man einem
geheimen Mitverschworenen zulächelt. Er hat sich wohl
geirrt in meinem Handwerk. „Farblos und viel Säuere"
war die oberste Bedingung, die er jedesmal stellte. Ich
aber weiß seitdem, wo der viele Moselwein wächst,
abgejehen von dem, der gar nicht gewachsen ist und
doch getrunken wird.
Ein guter Teil davon wächst natürlich an der Mosel
selber.
Aber ich besinne mich. Gebe ich nicht Ärgernis?
Nicht den Leuten von der Mosel und vom Rhein, sie
werden mich richtig verstehen; aber . . . Wie soll ich
es nur ausdrücken? Ich rede mit merklichem Behagen
schon so und so lang vom Wein, ich stand sogar im
Begriff, einen Hymnus aus den „Sporen" zu singen,
und du, verehrter Leser, wenn du nicht vom Rhein bist,
gehörst vielleicht zu der neuen Religion, die . . . Ich
habe mir längst abgewöhnt, mein liebes Christentum
laut zu loben; inan kann ja nie wissen, ob man nicht
einen Juden vor sich hat. Es gibt heute so viele Juden,
die verdammt christlich aussehen. Ich werde mir auch
noch die Unart abgewöhnen müssen, vom Wein zu
reden, statt einfach die Achsel zu zucken. Man kann
heutzutage nie wissen . . . Wir machen ja ini allge-
meinen nicht viel Federlesens mit den religiösen Gefühlen
Anderer. I. B. den Katholiken gegenüber tun wir uns
verdammt wenig Zwang an.
Auch Andere verletzen wir
jeden Augenblick und kom-
men unS dabei noch recht
heldenhaft vor- Aber da
handelt es sich in gewissem
Sinn um altbackene Reli-
gionen. Die sind hart und
können schon was vertragen.
Jedoch so ein neuausge-
schosseneS Pflänzchen wie
der Antialkoholismus — hu,
was für ein Wort! — das
darf mit Recht empfindlich


ZNeichcnweier.


Das Rathaus in Barr.
 
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