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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 4
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Schmidt, Paul Ferdinand: Der Zeichner Wilhelm Kalb
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0131
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Wilhelrn Kalb.

Pferd grascnd l.

bedarf eS eines ResonanzbodenS von ähnlich geftimmtem Gefühl, das mitschwingen muß. Die
Technik dieser Blätter schaltet dabei faft ganz auö: Bravour ist ihnen fremd, ihre Entftehung hat
vielmehr etwaS, waS an eine ängstliche Scheu vor der flotten Mache gemahnt; ctwaS ganz SchlichteS
und SelbftverständlicheS, fast VolksliederhafteS. Damit ist aber auch ihr BcsondereS schon an-
gedeutet. Denn wie daö VolkSlied in seiner Ursprünglichkeit ganz Empfindung ist und seine Form
um ihrer Schlichtheit willen ergreift, so spricht auch die Unabsichtlichkeit in dcr Technik der Kalbschen
Blätter ganz rein den Untergrund der Empfindung auS, der sie alle entsprangen: das Einssein mit
der großen Natur, daö Untergehen des cigenen Ich im Weltgefühl, und ein Sichversenken in das
Wesen und Befondere der lebendigen und anorganischen Dinge, daö einem Aufgehen im anderen
gleicbsieht; ein Gefühl, daö schon der heilige Franz von Assisi in so lieblicher Weise einkleidete,
wenn er von seinem Bruder Baum und seiner Schwester Wolke sprach.

Vielleicht gibt es auch eine künftlerische Prädestination. Wenn man weiß, daß Kalb als Sohn
eineö GutSbesitzerS in der Rheinpfalz aufwuchs und sehr früh mit Tieren und freier Luft Freund-
schaft schloß; daß er seit 15 Jahren Sommer für Sommer in die herbe Landschaft von Ostfriesland
zieht und oft biö in den November hinein draußen bleibt, nur im äußersten Notfall die schützende
Stadt — im letzten Iahrzehnt ist es Frankfurt — aufsuchend und ihre AtclierS, und daß ihm die
Lchre der Meifter, selbst die von Paris und dem seinem Temperament so nahestchenden Steinhausen
nur wenig und kaum Wesentlicheö vermitteln konnten, so glaubt man zu verstehen, warum er als
Künstler so geworden ift, mit seiner ganzen fanatischen Einseitigkeit und seiner Inbrunft zur Natur;
und glaubt, wie durch Suggestion, den frischen Geruch deS LandeS und der Nordsee in seinen
Blättern zu fpüren. Aber daö müßte nicht so sein. Man könnte sich einen geborenen Großftädter
denken, den der innere Drang nach dem Gegensätzlichen und ein tiefer Ekcl vor der geräuschvollen
Zivilisation der Städte in die Einsamkeit treibt: so warS beispielsweise bei Lcibl. Und TurnerS
fabelhaftc Lichtfeuerwerke konnten vielleicht nur infolge deö Lichthungers entftehen, den EnglandS

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