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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 11
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Schäfer, Wilhelm: Die Deutsche Botschaft in Petersburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0369
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Abb, 1, Das alte Botschaftsgebäude,

Die Deutsche Botschast in Petersburg.

er winterliche Himmel Petersburgs >var selten
so trübe wie in jenen Wochen. Keine Sonne
seit Monaten, aber auch kein Schnee auf den
Dachern und Platzen, deren Helle sonst dem ernsten
Gesamtbild der großen Stadt etwas von seiner Schwere
nimmt. Neujcchr ohne scharfen Frost, ohne Schnee
und Schlittcn! Von dem Newski-Prospekt und seinen
Aufabrten abgesehcn, ist das Leben auf den breiten,
übersichtlichen Straßen der russischen Hauptstadt ohne-
hin ziemlich arm an Abwechslung und still; niemals
entsteht hier die gefchaftige, leicht elektrisierte Stim-
mung, die mn die winterlichen Feiertage den deutschen
Stadtcn soviel Lebenswärme gibt. Die Menschen gehen
im Galoschentencpo ihres Weges, in ihre langen
schwarzen Mantel eingehüllt; durch dicse Galoschen,
diese Mantel und die gleichförmigen Mützen scheint
sogar der außere Unterschied der Geschlechter fast
aufgehoben. Ein Wunder, wenn bei besonderen
Gelegenheiten auch von solchen Menschen einmal
cin kleiner Auflauf zustande konunt, zumal inc Admi-
ralitätsviertel mit seincn nmchtigen Gebauden der
Ministerien und der Gesandtschaften, den Aarendenk-
mälern und der Jsaakskathedrale, deren Auppel wie
eine Erinnenmg an Sankt Peter in Rom hinaufragt
in die nordische Silberluft. Ein paar Dutzend Neugierige
stellten sich auf, hier und da eine Uniform darunter:
der Aweispitz eines Aöglings der kaiserlichen Jnstitute
oder die schwarze Uniform eines Marinekadetten, wohl
auch ein paar Tataren, Hauöburschen ncit Blechschildern
an der Mütze . . . Es handelt sich uni das neue Ge-

bäude der Deutschen Botschaft. Eine Straßenecke
am Jsaaksplatz ist abgesperrt. Ein letztes Gerüst steht
noch, das auf die Bauhütte oben in der Mitte des flachen
Daches übergreift; man macht Anstalten, ein riesiges,
aus roteni Kupfer getriebenes Pferd hinaufzuziehen,
einen Runipf ohne Kopf einstweilcn, in dessen Jnnern,
nach der Meinung des aufsichtführenden Berlincr Werk-
meisters, drei Mann niit Tisch und Weißbiergläsern Platz
nehnien könnten. Nun, da gerade von den Kirchen
die Glocken des Sonntagabends durch die Abendnebel
klingen, schwebt der Rumpf in die Höhe. Spannung . . .
bis endlich die am straffen Seil emporgezogene, leicht
schaukelnde Last wohlbehalten oben anlangt, — dann
vcrläuft sich die Menge. Es ist der letzte Tag des russischen
Jahres 1912. An der Stelle des altersschwarzen, cin-
stöckigen Botschafterpalastes, der in seiner gedrückten
Form, mit seinen inneren räumlichen Beschränkungen,
mit seiner abgeschabten Eleganz der Einrichtung eine
Unmöglichkeit geworden war, hat hier PeterBehrens
an einem der stattlichsten Plätze Petersburgs den neuen
Bau errichtet.

Der Name Peter Behrens bedeutet im heutigen
Deutschland mehr als nur eincn Weg: er bedeutet ein
erfülltes Bersprechen. Dieseni Künstler ist seit den
Jahren der Darmstadter Kolonie eine Reihe der reif-
sten Leistungen gelungen, die unsere jüngere deutsche
Baukunst aufzuweisen hat. Wir brauchen nur an seine
Ausstellungsbauten, an die von ihm in Düsseldorf
und Hagen hingesetzten Landhauser zu erinnern, an die
Bauten der A. E. G. in Berlin und an die ani Frank-

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