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Riegl, Alois
Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn (1): Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn — Wien: Österreich. Staatsdruckerei, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.75259#0113
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103

SCULPTUR.


Fig. 28. Marmor-Sarkophag in S. Francesco zu Ravenna.

von ihrem Vorbilde namentlich durch folgende den Gang der Weiterentwicklung kennzeichnende
Momente unterscheidet: gesteigerte Verflachung und Massigkeit der Umrisse an den ganzen
Figuren, verminderte Beobachtung der in der Ebene verbindenden Relationen und insbesondere
der Proportionen, Anbringung einer reicheren aber seichteren Fältelung, einseitige Hervorhebung
einzelner Theile, namentlich der Augen, auf Kosten der übrigen; härteres Hervortreten der Glied-
maßen unter der Grundhülle; nachlässige Behandlung des Contraposts.
Der Liberius-Sarkophag bildet somit in Ravenna in ähnlicher Weise den Anfang der spät-
römischen Reliefsculptur, wie der Constantina-Sarkophag in Rom, dessen Entstehung übrigens auch
weit eher in einer oströmischen Werkstatt gesucht werden muss. Der Entstehungszeit nach möchte
man den Liberius-Sarkophag demjenigen aus S. Constanza eher voranstellen, vielleicht (doch wenig
wahrscheinlich) sogar noch vor Constantin, wie wir denn überhaupt alle Ursache haben, für den
Entwicklungsprocess im griechischen Osten ein rascheres Tempo zu vermuthen, als im über-
wiegend empfangenden Italien. Hienacli hätten wir die übrigen figurengeschmückten ravenna-
tischen Sarkophage (unter denen der schon erwähnte Pignatta- und der Rinaldus-Sarkophag, sowie
der Isaak-Sarkophag mit der Anbetung der Magier im Museum zu Ravenna die zeitlich nächst-
folgenden und für den modernen Beschauer erfreulichsten Beispiele bieten) zwischen Constantin
und Honorius unterzubringen, wobei natürlich die Entstehung einiger Nachzügler im fünften Jahr-
hundert nicht ausgeschlossen ist. Wenn an den drei soeben genannten Sarkophagen die werdende
mittelalterliche Reliefauffassung noch mit der classischen im Kampfe zu liegen scheint, so ist sie
an anderen Exemplaren, wie dem Barbatianus- und Exuperantius-Sarkophag (im Dome zu Ravenna)
bereits zum vollen Siege gelangt. Die mit Symbolen und Ornamenten geschmückten Sarkophage
wären sodann dem fünften Jahrhundert, zum Theil vielleicht auch noch der Zeit Justinians zuzu-
schreiben. Die Ergebnisse, die sich aus ihrer Untersuchung für die Ermittlung des Entwicklungs-
 
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