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KUNSTINDUSTRIE.
Zuthaten ermöglichen es wenigstens an einem dieser Denkmäler, seine Zugehörigkeit zur
römischen Kunst des vierten Jahrhunderts festzustellen. Es ist dies eine große Schnalle (mit
ausgefallenem Ring und Dorn) in der Sammlung Augusto Castellani in Rom, die zweifellos in
Italien gefunden und bereits im Jahre 1891 von J. Undset in der Berliner Zeitschrift für Ethno-
logie publiciert wurde, ohne aber seither die verdiente Berücksichtigung erfahren zu haben,
weshalb wir sie hier in einer Originalaufnahme (Fig. 70) neuerdings zur Abbildung bringen.
Wir begegnen da einer
ganz ungewöhnlichen Mischung
von Techniken. In Niello ist das
umrahmende Flechtband und die
Reihe schräggestellter Blätter
(Halbierung des Musters von
Taf. XX. 4 und XXI. 3 im Sinne
des unendlichen Rapports) an
der Grenze zwischen dem vier-
eckigen und dreieckigen Theile
hergestellt. Die beiden Greifen-
köpfe, in welche die Spitze des
Beschläges ausläuft, sind ge-
punzt. Die eigentlichen Keil-
schnittflächen mit ihrer geperlten
Umrahmung bilden bloß Fül-
lungen zwischen drei figural
verzierten Feldern mit gravierten
und ehemals vergoldeten Figuren
auf silberbelegtem Grunde. Das
offenbar heidnische Sujet in
Fig. 70. Bronzeschnalle, zum Theile vergoldet, mit Silber beschlagen und nielliert.
Sammlung Augusto Castellani in Rom.
dem kreisrunden Felde mit den zwei weiblichen Figuren und dem Hunde dazwischen ist im
fünften Jahrhundert ebensowenig mehr zu erwarten, als der leichte und sichere Fluss
ihrer Umrisslinien. Dagegen verrathen die beiden Portraitköpfe — des jungen Mannes und
der Frau mit Haarnetz und Diadem — bereits jene Starrheit des Blickes, die sich an den
Steinporträten erst in nachconstantinischer Zeit beobachten lässt. Nach alledem werden wir
die Arbeit der Zeit zwischen Constantin und Theodosius zuzuweisen haben. Selbst Undset
Montelius und seiner Schule durchgeführt worden ist, bedeutet vielleicht das schwierigste Stück Arbeit, das die Archäologie bisher überhaupt
geleistet hat. Alle zugänglichen Fundnotizen wurden geradezu gesiebt, alle verwertbaren Parallelen zusammengestellt, den unschein-
barsten Nebenumständen Beachtung nicht versagt. Die Resultate dieser mückenseiherischen Arbeit hat Montelius selbst zuletzt nieder-
gelegt in der „Svenska fornminnes föreningens tidskrift", und zwar in einer Serie von Aufsätzen über den „nordiska jernälderns kronologi",
wovon uns namentlich der im 9. Bande 215 ff. enthaltene über „den romerska äldre jernälderns senare del" und im 10. Bande S. 55 ff. über
„folkvandringenstidens förra del" interessieren. Jede künftige Forschung wird mit diesen Aufstellungen zu rechnen haben, deren statistischer
Wert schon allein ein unschätzbarer ist. Aber die Zeitstellungen im einzelnen, zu denen Montelius und seine Schüler gelangt sind, dürften
sich kaum allgemeine Geltung erringen; für den Norden, wie für den Süden scheinen sie vielmehr durchwegs viel zu früh gegriffen. Eine
Chronologie, welche dazu führt, den Kragehul-Moorfund mit seinen kunstplanmäßig abgeplatteten und zoomorphisierten Bandverschlingungen
in den Anfang des fünften Jahrhundertes zu versetzen, kann angesichts der feststehenden Gesammtentwicklung im großen, im Norden wie im
Süden, unmöglich acceptiert werden. Nichtsdestoweniger ist die skandinavische Forschung heute fast die einzige auf dem uns beschäftigenden
Gebiete, deren streng methodisch-geschichtswissenschaftlicher Charakter, mit wenigen Ausnahmen frei von ethnographischen Phantasien
und Liebhabereien, den Anspruch auf ernste und eingehende Erörterung ihrer Ergebnisse erheben darf.
KUNSTINDUSTRIE.
Zuthaten ermöglichen es wenigstens an einem dieser Denkmäler, seine Zugehörigkeit zur
römischen Kunst des vierten Jahrhunderts festzustellen. Es ist dies eine große Schnalle (mit
ausgefallenem Ring und Dorn) in der Sammlung Augusto Castellani in Rom, die zweifellos in
Italien gefunden und bereits im Jahre 1891 von J. Undset in der Berliner Zeitschrift für Ethno-
logie publiciert wurde, ohne aber seither die verdiente Berücksichtigung erfahren zu haben,
weshalb wir sie hier in einer Originalaufnahme (Fig. 70) neuerdings zur Abbildung bringen.
Wir begegnen da einer
ganz ungewöhnlichen Mischung
von Techniken. In Niello ist das
umrahmende Flechtband und die
Reihe schräggestellter Blätter
(Halbierung des Musters von
Taf. XX. 4 und XXI. 3 im Sinne
des unendlichen Rapports) an
der Grenze zwischen dem vier-
eckigen und dreieckigen Theile
hergestellt. Die beiden Greifen-
köpfe, in welche die Spitze des
Beschläges ausläuft, sind ge-
punzt. Die eigentlichen Keil-
schnittflächen mit ihrer geperlten
Umrahmung bilden bloß Fül-
lungen zwischen drei figural
verzierten Feldern mit gravierten
und ehemals vergoldeten Figuren
auf silberbelegtem Grunde. Das
offenbar heidnische Sujet in
Fig. 70. Bronzeschnalle, zum Theile vergoldet, mit Silber beschlagen und nielliert.
Sammlung Augusto Castellani in Rom.
dem kreisrunden Felde mit den zwei weiblichen Figuren und dem Hunde dazwischen ist im
fünften Jahrhundert ebensowenig mehr zu erwarten, als der leichte und sichere Fluss
ihrer Umrisslinien. Dagegen verrathen die beiden Portraitköpfe — des jungen Mannes und
der Frau mit Haarnetz und Diadem — bereits jene Starrheit des Blickes, die sich an den
Steinporträten erst in nachconstantinischer Zeit beobachten lässt. Nach alledem werden wir
die Arbeit der Zeit zwischen Constantin und Theodosius zuzuweisen haben. Selbst Undset
Montelius und seiner Schule durchgeführt worden ist, bedeutet vielleicht das schwierigste Stück Arbeit, das die Archäologie bisher überhaupt
geleistet hat. Alle zugänglichen Fundnotizen wurden geradezu gesiebt, alle verwertbaren Parallelen zusammengestellt, den unschein-
barsten Nebenumständen Beachtung nicht versagt. Die Resultate dieser mückenseiherischen Arbeit hat Montelius selbst zuletzt nieder-
gelegt in der „Svenska fornminnes föreningens tidskrift", und zwar in einer Serie von Aufsätzen über den „nordiska jernälderns kronologi",
wovon uns namentlich der im 9. Bande 215 ff. enthaltene über „den romerska äldre jernälderns senare del" und im 10. Bande S. 55 ff. über
„folkvandringenstidens förra del" interessieren. Jede künftige Forschung wird mit diesen Aufstellungen zu rechnen haben, deren statistischer
Wert schon allein ein unschätzbarer ist. Aber die Zeitstellungen im einzelnen, zu denen Montelius und seine Schüler gelangt sind, dürften
sich kaum allgemeine Geltung erringen; für den Norden, wie für den Süden scheinen sie vielmehr durchwegs viel zu früh gegriffen. Eine
Chronologie, welche dazu führt, den Kragehul-Moorfund mit seinen kunstplanmäßig abgeplatteten und zoomorphisierten Bandverschlingungen
in den Anfang des fünften Jahrhundertes zu versetzen, kann angesichts der feststehenden Gesammtentwicklung im großen, im Norden wie im
Süden, unmöglich acceptiert werden. Nichtsdestoweniger ist die skandinavische Forschung heute fast die einzige auf dem uns beschäftigenden
Gebiete, deren streng methodisch-geschichtswissenschaftlicher Charakter, mit wenigen Ausnahmen frei von ethnographischen Phantasien
und Liebhabereien, den Anspruch auf ernste und eingehende Erörterung ihrer Ergebnisse erheben darf.