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KUNSTINDUSTRIE.
tralen Vierpass, sondern auch durch fünf Stege nach allen Richtungen zerschnitten, und wer diese
letzteren überhaupt mit einseitiger Aufmerksamkeit betrachtet, muss unbedingt geneigt sein, darin
ein goldenes Muster auf rothem Grunde zu erkennen. Er wird diese Annahme sogar mit triftigen
Beweisen belegen können: erstens zeigt sich der breite goldene Rand, über welchen die gemugelten
Granaten emporragen, entsprechend diesen letzteren nach innen (d. h. gegen die Granatfelder) rund
ausgezackt, so dass also hier das Gold gegenüber dem Roth ein Muster bildet; ferner sind die
fünf Stege, welche die sechs Granatplättchen von einander trennen, durchwegs anstatt in gerader
Linie in einem reichgekrümmten Zickzack geführt. Damit scheint dem Golde, das doch den Grund,
das ruhende Element des Ganzen bilden soll, mit raffinierter Absicht möglichst viel Bewegung ver-
liehen, die gemäß der Reliefauffassung aller antiken Kunst bloß dem Muster zukommt. Es kann
somit keinen Zweifel leiden: die Kunstabsicht war auch hier, wie beim Durchbruch und Keilschnitt
auf eine oberflächliche Verschleierung des Verhältnisses zwischen Grund und Muster gerichtet.
Hand in Hand damit ging die Herstellung des Musters aus solchen Motiven die nicht nach der
Natur gebildet waren, sondern als complementäre Motive aus der Grundfläche geboren, eine
rein künstlerische Existenzursache hatten; und indem der Grund auf Linien (oder doch Stege von
nicht vielmehr als Linienbreite) zwischen den Mustermotiven reduciert wurde, musste er noth-
wendigermaßen die äußere Configuration der ihn begrenzenden Mustermotive annehmen, woraus
sich abermals complementäre Bildungen ergaben. Das gleiche Gesetz erkennen wir unschwer
darin, dass sich die bohnenförmige Configuration des rothen Gesammtmusters im Innern des
Beschlägs auch in dem einfassenden Rande (Grunde) unmittelbar wiederholt; das Gleiche wird
uns sofort am Dornschild begegnen. Hier erscheint die Tendenz auf complementäre Bildung von
Grund und Muster bis zu einem Grade der Vollkommenheit gesteigert, wie er sonst nur in den
reciproken Motiven erreicht wurde.1
Nun werden wenige Worte genügen, um aucli das künstlerisch Wesentliche an Ring und
Dorn der Schnalle von Apahida zu bestimmen. Am Ring, der aus einem massiven goldenen
Rundstab ohne alle Verzierung der Oberfläche gebildet ist, lässt sich das schon am Beschläg fest-
gestellte Streben nach massiven Gesammtumrissen beobachten, welche letzteren sich auch der
Configuration des Bohnenmotivs unverkennbar annähern. Vom Dorn entspricht der Schild mit
seinem dreifachen bohnenförmigen Motiv in der Gesammtform und in der Decoration des Randes
und des Inneren vollkommen dem Beschläg; nur ist hier das Bohnenmotiv des Innern
nicht durch goldene Stege zertheilt, sondern gelangt als ungebrochenes rothes Oval
mit winkeliger Einziehung an der Stachelseite zum reinsten Ausdrucke. Die gekrümmte
Mantelwand des Dornschildes (Fig. 82) zeigt ein Muster von Granatplättchen zwischen aus-
gebauchten Goldstegen. Der Stachel des Dornes ist vor allem mit einem gewölbten Rückgrat
ausgestattet, weshalb die Granaten, die darin eingelegt sind, nicht als ebene Plättchen zugeschliffen,
sondern in krummen Flächen geschnitten werden mussten: offenbar eine Meisterleistung der
1 Nun wird man auch die in der spätrömischen Kunst überaus häufig begegnende Erscheinung verstehen, dass im Innenmuster der
äußere Umriss des Ganzen wiederklingt. So wenn z. B. an viereckigen Tüchern (in Malerei oder Mosaik öfters dargestellt, auch im Original
aus egyptischen Gräbern mehrfach erhalten) statt der umlaufenden, nach classischer Auffassung zugleich einsäumenden und verbindenden
Bordüre bloß die vier Ecken durch rechtwinkelige geometrische Figuren hervorgehoben erscheinen, was nacli einer Mittheilung Walter
Lowrie's am II. Congress für christliche Archäologie in Rom auch auf spätrömischen Marmorschranken wiederkehrt; wenn die Fensterdurch-
brechungen dem Gesammtumriss der Fensterlunette folgen, wie schon in den großen mittelrömischen Sälen (Diocletiansthermen, Maxentius-
basilika), womit auch die viel kritisierte Einstellung von Säulen in Rundbogen (Hagia Sophia, Aachener Münster) genetisch zusammenhängt;
wenn auch an Silberschmucksachen des siebenten und achten Jahrhunderts (Castel Trosino) die gleiche Tendenz wiederkehrt, worüber im
zweiten Theile Näheres gesagt werden soll.
KUNSTINDUSTRIE.
tralen Vierpass, sondern auch durch fünf Stege nach allen Richtungen zerschnitten, und wer diese
letzteren überhaupt mit einseitiger Aufmerksamkeit betrachtet, muss unbedingt geneigt sein, darin
ein goldenes Muster auf rothem Grunde zu erkennen. Er wird diese Annahme sogar mit triftigen
Beweisen belegen können: erstens zeigt sich der breite goldene Rand, über welchen die gemugelten
Granaten emporragen, entsprechend diesen letzteren nach innen (d. h. gegen die Granatfelder) rund
ausgezackt, so dass also hier das Gold gegenüber dem Roth ein Muster bildet; ferner sind die
fünf Stege, welche die sechs Granatplättchen von einander trennen, durchwegs anstatt in gerader
Linie in einem reichgekrümmten Zickzack geführt. Damit scheint dem Golde, das doch den Grund,
das ruhende Element des Ganzen bilden soll, mit raffinierter Absicht möglichst viel Bewegung ver-
liehen, die gemäß der Reliefauffassung aller antiken Kunst bloß dem Muster zukommt. Es kann
somit keinen Zweifel leiden: die Kunstabsicht war auch hier, wie beim Durchbruch und Keilschnitt
auf eine oberflächliche Verschleierung des Verhältnisses zwischen Grund und Muster gerichtet.
Hand in Hand damit ging die Herstellung des Musters aus solchen Motiven die nicht nach der
Natur gebildet waren, sondern als complementäre Motive aus der Grundfläche geboren, eine
rein künstlerische Existenzursache hatten; und indem der Grund auf Linien (oder doch Stege von
nicht vielmehr als Linienbreite) zwischen den Mustermotiven reduciert wurde, musste er noth-
wendigermaßen die äußere Configuration der ihn begrenzenden Mustermotive annehmen, woraus
sich abermals complementäre Bildungen ergaben. Das gleiche Gesetz erkennen wir unschwer
darin, dass sich die bohnenförmige Configuration des rothen Gesammtmusters im Innern des
Beschlägs auch in dem einfassenden Rande (Grunde) unmittelbar wiederholt; das Gleiche wird
uns sofort am Dornschild begegnen. Hier erscheint die Tendenz auf complementäre Bildung von
Grund und Muster bis zu einem Grade der Vollkommenheit gesteigert, wie er sonst nur in den
reciproken Motiven erreicht wurde.1
Nun werden wenige Worte genügen, um aucli das künstlerisch Wesentliche an Ring und
Dorn der Schnalle von Apahida zu bestimmen. Am Ring, der aus einem massiven goldenen
Rundstab ohne alle Verzierung der Oberfläche gebildet ist, lässt sich das schon am Beschläg fest-
gestellte Streben nach massiven Gesammtumrissen beobachten, welche letzteren sich auch der
Configuration des Bohnenmotivs unverkennbar annähern. Vom Dorn entspricht der Schild mit
seinem dreifachen bohnenförmigen Motiv in der Gesammtform und in der Decoration des Randes
und des Inneren vollkommen dem Beschläg; nur ist hier das Bohnenmotiv des Innern
nicht durch goldene Stege zertheilt, sondern gelangt als ungebrochenes rothes Oval
mit winkeliger Einziehung an der Stachelseite zum reinsten Ausdrucke. Die gekrümmte
Mantelwand des Dornschildes (Fig. 82) zeigt ein Muster von Granatplättchen zwischen aus-
gebauchten Goldstegen. Der Stachel des Dornes ist vor allem mit einem gewölbten Rückgrat
ausgestattet, weshalb die Granaten, die darin eingelegt sind, nicht als ebene Plättchen zugeschliffen,
sondern in krummen Flächen geschnitten werden mussten: offenbar eine Meisterleistung der
1 Nun wird man auch die in der spätrömischen Kunst überaus häufig begegnende Erscheinung verstehen, dass im Innenmuster der
äußere Umriss des Ganzen wiederklingt. So wenn z. B. an viereckigen Tüchern (in Malerei oder Mosaik öfters dargestellt, auch im Original
aus egyptischen Gräbern mehrfach erhalten) statt der umlaufenden, nach classischer Auffassung zugleich einsäumenden und verbindenden
Bordüre bloß die vier Ecken durch rechtwinkelige geometrische Figuren hervorgehoben erscheinen, was nacli einer Mittheilung Walter
Lowrie's am II. Congress für christliche Archäologie in Rom auch auf spätrömischen Marmorschranken wiederkehrt; wenn die Fensterdurch-
brechungen dem Gesammtumriss der Fensterlunette folgen, wie schon in den großen mittelrömischen Sälen (Diocletiansthermen, Maxentius-
basilika), womit auch die viel kritisierte Einstellung von Säulen in Rundbogen (Hagia Sophia, Aachener Münster) genetisch zusammenhängt;
wenn auch an Silberschmucksachen des siebenten und achten Jahrhunderts (Castel Trosino) die gleiche Tendenz wiederkehrt, worüber im
zweiten Theile Näheres gesagt werden soll.