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https://doi.org/10.11588/diglit.5271#0043
( 3o )
giganteske Gestalten und Grösse, woran das erste Bemühen der Kunst Behagen
fand, weil es Erstaunen verursacht; und Erstaunen über alles, was uns der
Mangel größerer Erkenntnisse verbirgt, der Hauptzug im Charakter unerfahrner
Völker, und folglich auch im Style der Kunst ist. RAYNALS Tadel ist
dagegen der sprechendste Beweis. „ Die alten Pagoden, sagt er: es ist wahr,
„ setzen einen durch ihre Dauerhaftigkeit und Umfang in Erstaunen; allein die
Architektur und Auszierung derselben sind von der schlechtesten Manier I8)."
So schlecht arbeitet kein Volk das bessre Muster vor sich hat, sondern das
seine Künste selbst erfand und eigenthümlich dieselben besitzt, und | mit allen
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, welche die Unbekanntschaft mit Regeln,
und der Mangel eines Modells hervorbringt. Das nachahmende Volk belsert
ungleich leichter an Styl und Geschmack, als das erfindende, welches seine
Werke nicht niederreisTen wird, die ihm mehr denn ein Jahrtausend Mühe
kosteten, blos weil andere Zeiten einen andern Geschmack erfinden.
Die üppige Natur Hin dos TAN s, war eine andere Ursache des chargirten
Geschmacks und der Ueberladung in den Werken der Kunst. Gemeiniglich
sind die Menschen getreue Kopien der Natur, und lieben was sie beständig
um sich her sehen. Man sindet dieses charakteristische in allen] Kunstwerken
der Welt von einem Ende zum andern. Die nordischen Völker, an den
ewigen einfachen Anblick ihrer Wälder und hohen Eichstämme gewöhnt,
thürmten SteinmasTen von gewaltiger Grösse, wie die Britten, in verschiedenen
Gegenden, und unter andern in der Gegend von KESWICK in WESTMO-
RELAND, und wie die Deutschen beim Tempel Tannfanna's errichteten
Übereinander. Diese Denkmähler sind aber eigentlich mehr Beweise der
Riesenkräfte der nordischen Völker, als einer Kunst welche mit der Architektur
verwandt wäre. In den heissen Ländern bringt das Klima nicht nur einen,
*») Ebendas. S. 97.
giganteske Gestalten und Grösse, woran das erste Bemühen der Kunst Behagen
fand, weil es Erstaunen verursacht; und Erstaunen über alles, was uns der
Mangel größerer Erkenntnisse verbirgt, der Hauptzug im Charakter unerfahrner
Völker, und folglich auch im Style der Kunst ist. RAYNALS Tadel ist
dagegen der sprechendste Beweis. „ Die alten Pagoden, sagt er: es ist wahr,
„ setzen einen durch ihre Dauerhaftigkeit und Umfang in Erstaunen; allein die
Architektur und Auszierung derselben sind von der schlechtesten Manier I8)."
So schlecht arbeitet kein Volk das bessre Muster vor sich hat, sondern das
seine Künste selbst erfand und eigenthümlich dieselben besitzt, und | mit allen
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, welche die Unbekanntschaft mit Regeln,
und der Mangel eines Modells hervorbringt. Das nachahmende Volk belsert
ungleich leichter an Styl und Geschmack, als das erfindende, welches seine
Werke nicht niederreisTen wird, die ihm mehr denn ein Jahrtausend Mühe
kosteten, blos weil andere Zeiten einen andern Geschmack erfinden.
Die üppige Natur Hin dos TAN s, war eine andere Ursache des chargirten
Geschmacks und der Ueberladung in den Werken der Kunst. Gemeiniglich
sind die Menschen getreue Kopien der Natur, und lieben was sie beständig
um sich her sehen. Man sindet dieses charakteristische in allen] Kunstwerken
der Welt von einem Ende zum andern. Die nordischen Völker, an den
ewigen einfachen Anblick ihrer Wälder und hohen Eichstämme gewöhnt,
thürmten SteinmasTen von gewaltiger Grösse, wie die Britten, in verschiedenen
Gegenden, und unter andern in der Gegend von KESWICK in WESTMO-
RELAND, und wie die Deutschen beim Tempel Tannfanna's errichteten
Übereinander. Diese Denkmähler sind aber eigentlich mehr Beweise der
Riesenkräfte der nordischen Völker, als einer Kunst welche mit der Architektur
verwandt wäre. In den heissen Ländern bringt das Klima nicht nur einen,
*») Ebendas. S. 97.