Millets Heimat (er ist in einem Vorwerk des Dor-
fes Greville an der französischen Küste geboren) wird
als öde, schwermütige Landschaft geschildert: „Man
schaut von den Klippen weit über die See hinaus.
Landeinwärts gewendet sieht man ein monotones Ge-
lände. Graue Ackerfelder und ärmliche Wiesen unter-
brechen eine lang sich hinziehende Wüste, die meilen-
weit teils nur mit Geröll bedeckt, teils mit bräun-
lichem Heidekraut bewachsen ist. Hie und da ragt
ein verkrüppelter, vom scharfen Seewind zerfetzter
Baum, die Silhouette eines niedrigen Kirchturms
oder eine kleine strohgedeckte Bauernhüfte in den
nebligen, wolkenschweren Himmel. Ein schlichter pa-
triarchalischer Menschenschlag ist auf diesem Land-
strich zu Hause: ein Volk von Fischern und Bauern,
das dem unwirtlichen Boden in harter Arbeit seine
kärgliche Nahrung abfrotzt. Wer aus Paris kommt,
glaubt sich fast nach Norwegen versetzt, wenn er diese
rauhen, grobknochigen Leute sieht, die so garnichfs
von der Lebhaftigkeit und eleganten Leichtigkeit der
Franzosen haben, sondern so schwerfällig und eisern
sind, so unbeugsam und still.“*)
All die unbewußt aufgenommenen Eindrücke der
frühen Kindheit haben in dem tief angelegten Bauern-
gemüte Millets gute Wurzeln geschlagen; sie haben
ihm Rückhalt für das gefahrenreiche Leben in der
großen Welt gegeben und ein immerwährendes Heim-
weh in ihm wachgehalten, das wie eine Mahnung ge-
wirkt haben mag, sich selber freu zu bleiben, sich im
Getriebe nicht zu verlieren.
Weiter heißt es von Millets Familie, die seit Gene-
rationen in dem Orte heimisch war, daß sie zu dem
der Scholle treuen Bauerngeschlechte gehörte, das
„mit Wenigem zufrieden, nicht in die Weite strebt,
sondern auf dem erbeingesessenen Stück Erde leben
*) s. Richard Muther, J. F. Millet, Berlin 1907.
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fes Greville an der französischen Küste geboren) wird
als öde, schwermütige Landschaft geschildert: „Man
schaut von den Klippen weit über die See hinaus.
Landeinwärts gewendet sieht man ein monotones Ge-
lände. Graue Ackerfelder und ärmliche Wiesen unter-
brechen eine lang sich hinziehende Wüste, die meilen-
weit teils nur mit Geröll bedeckt, teils mit bräun-
lichem Heidekraut bewachsen ist. Hie und da ragt
ein verkrüppelter, vom scharfen Seewind zerfetzter
Baum, die Silhouette eines niedrigen Kirchturms
oder eine kleine strohgedeckte Bauernhüfte in den
nebligen, wolkenschweren Himmel. Ein schlichter pa-
triarchalischer Menschenschlag ist auf diesem Land-
strich zu Hause: ein Volk von Fischern und Bauern,
das dem unwirtlichen Boden in harter Arbeit seine
kärgliche Nahrung abfrotzt. Wer aus Paris kommt,
glaubt sich fast nach Norwegen versetzt, wenn er diese
rauhen, grobknochigen Leute sieht, die so garnichfs
von der Lebhaftigkeit und eleganten Leichtigkeit der
Franzosen haben, sondern so schwerfällig und eisern
sind, so unbeugsam und still.“*)
All die unbewußt aufgenommenen Eindrücke der
frühen Kindheit haben in dem tief angelegten Bauern-
gemüte Millets gute Wurzeln geschlagen; sie haben
ihm Rückhalt für das gefahrenreiche Leben in der
großen Welt gegeben und ein immerwährendes Heim-
weh in ihm wachgehalten, das wie eine Mahnung ge-
wirkt haben mag, sich selber freu zu bleiben, sich im
Getriebe nicht zu verlieren.
Weiter heißt es von Millets Familie, die seit Gene-
rationen in dem Orte heimisch war, daß sie zu dem
der Scholle treuen Bauerngeschlechte gehörte, das
„mit Wenigem zufrieden, nicht in die Weite strebt,
sondern auf dem erbeingesessenen Stück Erde leben
*) s. Richard Muther, J. F. Millet, Berlin 1907.
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