Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0341
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
306

Die Funde

Fundkomplexen im antiken Tunesien eine zeitliche Entwick-
lung vom höheren Rinder- zum höheren Schweinanteil beob-
achten lässt (Tab. 9) Bei den wenigen bestimmbaren numider-
zeitlichen Knochen (Bef. 215 und 140) können 29 Knochen
dem Rind und fünf dem Schwein zugewiesen werden. Dieses
Verhältnis verändert sich in den beiden frühen römischen Pe-
rioden, also bis zur flavisch-traianischen Zeit, zugunsten des
Schweins, da es in der Periode 2 bei 18 (Rind) zu 32 (Schwein)
und in der Periode 3 bei 53 (Rind) zu 56 (Schwein) liegt. Die
Anteile der kleinen Hauswiederkäuer sind generell in den
frührömischen Perioden sehr hoch (60 bzw. 103 Fragmente
inkl. der gesichert als Schaf oder Ziege bestimmten Knochen),
während sie in der Numiderzeit mit 17 Fragmenten hinter dem
Rind zurückstehen. Die aufgezeigte Tendenz findet sich eben-
falls im chronologisch aufgeschlüsselten Tierknochenmaterial
aus Karthago (Tab. 9), sodass sich hier ein regionsübergreifen-
der Trend im Fleischverzehr andeutet, der aber sicherlich in
der Zukunft noch mit weiteren Fundkomplexen abgeglichen
werden muss.
Auch zeichnet sich am Thuggenser Material der für die by-
zantinische Zeit generell beobachtete Trend zu einem erhöh-
ten Verzehr und damit einer verstärkten Haltung der kleinen
Hauswiederkäuer Schaf und Ziege ab.9-0
Andere Haustierarten: Haushuhn, Equiden und Hunde951
Das ebenfalls nachgewiesene Haushuhn diente wahrschein-
lich ebenfalls vor allem als Fleisch-, möglicherweise aber auch
als Eierlieferant. Sieht man von dem oben bereits erwähnten
Fundensemble von Beinknochen ab, repräsentieren die Vorge-
fundenen Knochen nur ausgewachsene Tiere. Hinweise auf das
Geschlecht der Tiere fanden sich bei diesen Knochen ebenso
wenig wie eine Konzentration bestimmter Körperregionen.
Dagegen fanden sich in Fundkomplex 52 die Beinkochen von
mindestens elf Individuen, von denen sich sieben als weibliche
und vier als männliche Tiere bestimmen ließen. Die Konzen-
tration an Beinknochen spricht für die Schlachtung mehrerer
Tiere, denen in diesem Zusammenhang zur weiteren Verar-
beitung die Beine abgetrennt wurden. Es lässt sich allerdings
eine Haltung der Tiere vor Ort ebenso wenig ablesen wie eine
Antwort auf die Frage, ob die Tiere zum gleichen Zeitpunkt
oder an immer der gleichen Stelle im Siedlungsareal geschlach-
tet wurden.
Bei den anderen Haustierarten scheint eine wirtschaftliche
Nutzung im Sinne einer Fleisch- oder anderen Rohstoffnut-
zung auszuschließen zu sein. Hierfür spricht vor allem das
Fehlen von Schlacht- und Zerlegungsspuren an den Equiden-
(Taf. 38, 1) und Hundeknochen, allerdings auch der geringe
Anteil dieser Tierarten am Knochenbestand. Die Equiden
werden vor allem für Transportzwecke als Reit- oder Lasttiere
genutzt worden sein, während man die Hunde aufgrund ihrer
Wuchsform am ehesten als Wach- oder Straßenhunde anzu-
sprechen hat. Nach dem Ableben der Equiden hat man deren
950 Kroll 2010, 141 f.
951 Zu zwei einzelnen Menschenknochen aus dem Tierknochenmaterial s.
Kap. III. 2. 1.

Knochen zum Teil als Rohmaterial für eine Knochenschnitzer-
werkstatt genutzt, wie ein abgesägtes proximales Gelenk eines
Metatarsus belegt. In dieser Werkstatt fanden allerdings nicht
nur Equiden-, sondern auch Rinderknochen Verwendung, wie
das abgesägte und leicht überarbeitete Schaftfragment eines
Rinder-Metacarpus zeigt. Ein weiteres Langknochenfragment
eines großen Säugetiers mit Sägespuren konnte leider nicht
näher bestimmt werden, sodass eine Ergänzung des Rohma-
terialspektrums der Knochenschnitzerei nicht möglich ist.
Sicherlich repräsentieren diese drei Abfallreste keinen Hand-
werksbetrieb in größerem Rahmen, sondern stellen die Abfälle
einer Produktion für den häuslichen Bedarf dar, wie sie immer
wieder im antiken Siedlungskontext nachzuweisen ist952. Die
einfache Verwendung von Knochen im Alltag belegt der zu
einem Spielstein umgearbeitete Talus (Rollbein) eines kleinen
Hauswiederkäuers (Taf. 38, 2).
Wildtierarten
Die drei im Material nachgewiesenen Wildtierarten Mähnen-
schaf, Hase und Landschildkröte lassen wenig Aussagen zu
ihrer Rolle in der Ernährung zu. Der Hase wurde vollstän-
dig mit ins Siedlungsareal gebracht und erst dort zerlegt, wie
zwei Autopodiumsknochen aus dem Material nahelegen. Vom
Mähnenschaf liegen dagegen nur Knochen des Stylopodiums
und Zygopodiums vor, sodass man ein Einbringen in zerlegter
Form ins Siedlungsareal vermuten kann. Die Variationsbreite
der Wildtierknochen bleibt dagegen gering, sodass keine wei-
tergehenden Aussagen zu dem in der Antike Thugga umgeben-
den Biotop möglich sind. Das Mähnenschaf lebt in bergiger,
karger Wüstenumgebung, die sich heute eigentlich eher im
Süden von Tunesien und Algerien findet. Mangels Vergleichs-
möglichkeiten muss unklar bleiben, ob die Tiere in der Um-
gebung heimisch waren oder als verhandelte Jagdbeute in die
Stadt gebracht wurden. Hase und Landschildkröte sind noch
heute Bewohner des Habitats um Thugga.
Pathologische Veränderungen
Im vorliegenden Material konnten vier pathologische Verän-
derungen nachgewiesen werden. Normalerweise werden diese
bei Tierknochenfunden aus archäologischen Ausgrabungen in
drei verschiedene Gruppen unterteilt953: Veränderungen am
Gebiss (Anomalien und Entzündungen), Folgen von Trau-
men und Wundinfektionen sowie Verbrauchs- bzw. Überlas-
tungserscheinungen. Drei der vier vorliegenden Pathologien
können diesen drei Gruppen untergeordnet werden, während
der übrige Befund aufgrund einer fehlenden tierartlichen und
anatomischen Zuweisung nur allgemein als endzündliche Ver-
änderung anzusprechen ist. Bei den übrigen Befunden handelt
sich um eine Fraktur, ein entzündungsbedingter Zahnverlust
und eine arthritische Gelenkveränderung. Die Fraktur konnte
am Schaft einer Hunderippe nachgewiesen werden. Die Art
952 Becker 2003, 214-216.
953 von den Driesch 1975, 413—425.
 
Annotationen