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Rodenberg, Julius
Paris bei Sonnenschein und Lampenlicht: ein Skizzenbuch zur Weltausstellung — Leipzig, 1867 (2. Aufl.)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1385#0010
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2 l. Die vierundzwanzig Stunden von Paris.

sag' ich? Eine Stadt, in die Höhe gebaut, anstatt in die
Breite; keine ganz kleine Stadt, denn sie zählt durchschnittlich
— 1200 Einwohner. Diese Stadt hat ein Telegraphenbureau,
eine pneumatische Eisenbahn und ein Postamt; sie hat ihr eigenes
Cafe, ihren eigenen Cigarrenladen, ihren eigenen Optikus nnd
Friseursalon, ihr eigenes Schneideratelier, in welchem auch, wie
der gütige Jnhaber uns sofort nach der Ankunft zu wiffen gibt,
„Staatsunisormen gestickt werden"; sie hat ihre eigene Buchhand-
lung und — großer Gott, was hat sie nicht? — sie hat ihre
eigene Zeitung: „La Gazette des Etrangers", geschrieben und
gedruckt im Hotel und redigirt von jenem famösen Henri de
Pene, berühmt als Schriftsteller, berühmter als Duellant.
Doch fürchtet euch darum nicht vor seiner Zeitung: sie ist sehr
witzig, sehr amusant, und wird euch an jedem Morgen, noch
feucht von der Presse, gratis durch die Stubenthür gesteckt.
Die Stadt, in welcher alle diese Wunderdinge geschehen, hat
fünf Stockwerke, jedes Stockwerk hat drei Quartiere (Quartier
de Scribe, Quartier du BoulevarL, Quartier de l'Opera) und
alles zusammen 15 Straßen, an deren Ecken Blechschilde die
Namen und Nummern angeben, wie in jeder andern Stadt.
Aber welch' ideale Straßen sind dies! Mit Teppichen belegt,
mit Spiegelwänden decorirt, behaglich erwärmt im Winter,
angenehm schattig im Sommer, voll Unterhaltung am Tage,
voll Licht, wie ein Ballsaal, die ganze Nacht. Nun denkt ihr
wol: wie groß wird der Lärm sein, den die 1200 Menschen
in den 15 Straßen machen! Aber das ist es genau, was
sie nicht thun. Denn nun kommt von allen Wundern Las
größte: die Ruhe. Kein Hausknecht oder Koffer, groß und
schwer und bepackt wie die Arche Noah, poltert über die Stie-
gen; kein Kellner ruft und läuft, kein Mensch geht in diesem
Hotel: geräuschlos fährt alles durch himmelhohe Versenkungen
auf und nieder, aus den unterirdischen Küchen und Kellern bis
ans Dach, aus einsm Stockwerk ins andere. Der elektrische
Telegraph thut den Rest — und, ihr wißt es ja: Ler Rest
ist Schweigen! Säle, von der Pracht eines Fürstenschloffes,
öffnen sich vor den erstaunten Blicken, mit persischen Teppichen
und Plafondmalereien, mit Sammt und Gold, mit Marmor
und Mahagoni, — ein unübersehbarer Luxus von Zeitungen
 
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