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Rodenberg, Julius
Paris bei Sonnenschein und Lampenlicht: ein Skizzenbuch zur Weltausstellung — Leipzig, 1867 (2. Aufl.)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1385#0011
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Von Julius Rodenberg.

3

bedeckt die Tische, — die Sprachen aller Nationen werden ge-
redet, aber leise, kaum hörbar, damit einer den andern nicht
störe, — das Gemurmel der ganzen Welt ist um euch, wie
das Rauschen der Meereswoge, wenn sie an den Strand
schlägt; — vor euch, in der Cour de l'honneur unter glas-
gedeckter Halle, vor breiten Sandsteinstufen, die mit hohen
Oleandern besetzt sind, rollen stattliche Carrossen ab und an;
binter euch, in einem zweiten Saale, bauen sich auf endlosen
Tafeln, mit dem feinsten Leinen behängt, mit dem kostbarsten
Porzelian bedeckt, schwere Silberaufsätze für das Diner auf...

Aber ich habe gesagt: neun Uhr morgens!

Wir stehen vor dem Grand-Hötel, auf dem Boulevard
des Capucines. Schöner Boulevard, jetzt schlägst du die Augen
auf! Rechts, im blauen Frühnebel, dämmert die MaLeleine,
dies herrliche Gotteshaus, welches auf seinem mächtigen Stufen-
bau zu thronen scheint wie eine Vision aus ferner Zeit und
fernem Lande — fremd und doch jedem vertraut; Lenn was
wäre der Boulevard des Capucines ohne die Madeleine und
ohne die Blumen, die frisch an jedem Morgen ihre GrunL-
mauer als ein blühender, farbenreicher Kranz umgeben? Die
Blumen und die Blumenverküuferinnen der Madeleine, nein!
sie durfen nicht fehlen, wenn der Tag von Paris beginnen
soll! Duftiger Morgengruß! wie lieblich eröffnest du den
Reigen der Stunden, welche nun über das breite Trottoir,
durch die majestätischen Straßen dahineilen werden — kokett
aufgeschürzt, wie die Schönheiten, die ihnen folgen, leicht und
graziös, mit der verführerischen Glut und Schelmerei in den
Augen, mit der Anmuth in jeder Bewegung und, wenn auch
der Tod schon im Herzen sitzt, noch mit Liesem Lächeln um
die Lippen!

Dieses Lächeln — glaubt es mir: das ist der Reiz, das
ist das Geheimniß, das ist die Kunst von Paris! Herzhaft lachen
— wie gesund, wie wohlseil und wie selten! Jmmer lachen
verräth dsn Jdioten; aber immer lächeln — das ist etwas
anderes. Das Lächeln ist die Poesie des Gesichts, die feinste
Blüte des Geistes; und Paris lächelt — lächelt immer!

Der Chevalier Marin, ein braver Cavalier, der unter
Ludwig XIII. nach Paris kam, schrieb seinen Freunden in


 
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