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Rodenberg, Julius
Paris bei Sonnenschein und Lampenlicht: ein Skizzenbuch zur Weltausstellung — Leipzig, 1867 (2. Aufl.)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1385#0284
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276

XI. Pariser Sommerbälle.

Fremden so sehr beschäftigt, meine Feder nur eine Feder bleibt,
und meins Tinte nur Tinte, kalt, schwarz, gallicht —- vielleicht
sogar grausam?

Dennoch hieße cs der Wahrheit zu nahe treten, wollte ich
die große Rolle in Abrede stellen, welche die öffentlichen
Bälle, vor allem aber ihr weibliches Publikum in der
sogenannten pariser Gesellschaft spielen^ welch letzters sich be-
kanntlich weit weniger aus eigentlichen Parisern, denn aus
einer Mischung von Lebemännern aller Länder und Nationen
zusammensetzt, die allein nach der Ansicht der socialen Geologen
die obere Bevölkerungsschicht der l-utstin karisioruiu von
heute bilLet.

Wenn aber dies Leben und Treiben der Demi-Monde in
ihren verschiedensten Bruchtheilen zum Brennpunkt einer ganzen
Gesellschaftsklaffe mit zahlreichen Affiliationen werden konnte,
so müffen auch die Orte, die ihrerseits jenem Publikum zum
Focus dienen, aller Augen gar sehr auf sich ziehen. Darum
eben nehmen die öffentlichen Bälle von Paris eine so hervor-
ragende Stelle in allen Erinnerungen ein, welche wißbegierige
Fremde von ihrer Neise ins Herz Frankreichs mit nach der
Heimat zurückbringen.

Daß alle diese Tempel Terpsichore's im Grunde nur dem
Dienste einer andern Göttin gewidmet sind, versteht sich von
selbst, aber, wie man es aus jedem Führer durch Paris mit
billigem Enthusiasmus auswendig lernen kann: „Hier unter Len
dunkeln Bäumen, im Schimmer von tausend Lampen und tau-
send Sternen, schlägt jedes jugendliche Herz feuriger, stammt
jedes verzehrende Auge verzehrender, und strahlt jede blühende
Wange schöner!" Schade nur, daß die jugendlich pochenden
Herzen, die unser Reiseführer feuriger schlagen läßt ^— meist
ausgebrannten Kratern sehr ähnlich sind; daß die verzehrenden
Augen nur flammen, wenn ihnen mittels kühn geschwungenen
„xsncil jsxonnsis, pour aniwsr Iss z-sux" eine stch dunkel
abhebende Randverzierung gegeben wurde, und daß endlich die
blühenden Wangen all ihren Jugendschimmer nur der mehr
oder weniger fein aufgetragenen „ross ä'^rwiäs", zu deutsch
Fettschminke, verdanken, bei welcher Aufzählung an „Poudre de
Riz" für den Teint, „Poudre ä l'Empire" für das Haar,
 
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