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Dragendorff, Hans; Krüger, Emil; Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Editor]
Römische Grabmäler des Mosellandes und der angrenzenden Gebiete: Das Grabmal von Igel — Trier, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.41447#0076
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der gleichen Zahl von Blättern geschmückt ist wie die kürzere Ostseite, und die Blätter weisen nicht die
seitliche Neigung auf, wodurch das Ornament steifer erscheint als an den beiden anderen Seiten.
Im obersten Streifen sind abwechselnd nach oben und nach unten gerichtete Blätterbüschel von Akanthus-
blättern umgeben, die man wohl nur als eine mißverstandene wellenförmig bewegte Akanthusranke mit ansetzen-
den kleinen Kelchblättchen verstehen kann. Die Blättchen richten sich abwechselnd nach oben und nach unten.
Auch hier sind wieder die Seiten nicht ganz gleich. Auf der Süd-, Ost- und Nordseite ist der Mittelbüschel
nach oben gerichtet, während er sich auf der Westseite nach unten richtet und man daher auf dem gleichen
Raum jederseits ein Dekorationsglied mehr anbringen mußte, um an den Ecken wieder mit einem aufwärts-
gerichteten Büschel, der zu zwei Seiten gehört, abschließen zu können. Es zeigt sich auch in diesen Dingen
eine gewisse Sorglosigkeit der ausführenden Steinmetzen. Der Grund der Streifen, auf dem das Ornament liegt,
ist auch an diesem Gesims durch Meißelschläge gerauht, um dunkler zu wirken.

Hauptteil. Südseite.
Taf. 5 (nach dem Original). Abb. 34.
Die Bilder der Familie und die Grabinschrift.

Erhaltung. Das Hauptbild der Frontseite ist durch mehrere besonders große Löcher beschädigt, die
jetzt mit Zement und in nicht gerade glücklicher Weise mit modernen Steinen geschlossen sind. Zwei Stücke,
Schultern und Kopf der Mittelfigur und der mittlere Teil des linken Armes des Mannes rechts, scheinen schon
einmal ganz abgelöst gewesen zu sein; ob das letztere Stück richtig angefügt, erscheint sehr zweifelhaft.
Die schwersten Eingriffe sind das Loch in der Mitte der zweiten Steinlage von oben und die große dreieckige
Öffnung, die durch die ganze 3. und 4. Steinlage hindurchgeht und auch von der Inschrift noch eine ganze
Partie weggenommen hat. Sie sollte wahrscheinlich einmal einen Zugang ins Innere des Grabmals bahnen.
In der Inschriftfläche bemerkt man drei weitere viereckige Löcher, im Bild sind noch verschiedene Fugenkreuzungen
ausgebrochen gewesen. Zerstört sind durch diese Verletzungen an der linken Figur die halbe Brust und die
davor befindliche rechte Hand, an der Mittelfigur der Kopf, — von den Schultern waren die Umrisse bei der
photographischen Aufnahme von 1879 noch deutlich — von dem Manne rechts das ganze rechte Bein mit dem
Gewand und der linke Arm. In der Inschrift fehlt die erste Zeile zum großen Teil, die zweite, die gerade über
eine Schichtenfuge läuft, ganz, von der dritten einige Buchstaben. Die Köpfe der Medaillons sind ziemlich ver-
wittert; abgeschlagen sind der Kopf und die linke Hand des stehenden Mannes rechts.
Zu den Abbildungen ist noch zu bemerken, daß bei dem sehr tief liegenden Reliefgrund die photographische
Aufnahme die dritte Steinlage von oben in der Mitte etwas schmaler erscheinen läßt, als die anderen. Das ent-
spricht nicht der Wirklichkeit. Auf Tafel 5, die aus zwei mit dem Weitwinkelobjektiv in nächster Nähe auf-
genommenen Photographien zusammengesetzt ist, ist diese Verzeichnung in der Mitte noch etwas gesteigert.
Die dritte Steinlage erscheint beträchtlich zu schmal, die vierte entsprechend zu breit.
Beschreibung: Zwei Männer und ein Jüngling bilden eine Gruppe. Der Jüngling in der Mitte reicht
mit einer leisen Wendung dem Manne rechts die Hand zum letzten Abschiede, während der linksstehende Mann
sich anteilnehmend dieser Szene zuwendet. So baut sich die Gruppe gut symmetrisch auf, indem die beiden
größeren Figuren sich etwas nach innen drehen, dabei jedesmal das äußere Bein etwas vorsetzen. Sie schließen
äußerlich gut zusammen und das geistige Band, das die drei verknüpft, ist ohne weiteres klar. Es steckt gute
alte Tradition in der Gruppe, deren Vorläufer bis in die Blütezeit der attischen Grabreliefs im 5. Jahrhundert
sich zurückverfolgen lassen. Damals hat man diese stillen Familiengruppen erfunden, bei denen der Abschieds-
schmerz in so gehaltener Weise zum Ausdruck kommt1). Weiter gehen und mit GräverD) die Nachwirkung
eines bestimmten, aus diesem Kreise hervorragenden Reliefs, des bekannten Orpheus- und Eurydikereliefs, in dem
Igeler Monument sehen darf man wohl nicht. Dazu sind die Übereinstimmungen zu allgemein, die Abweichungen
in charakteristischen Zügen zu groß. Die Übereinstimmung besteht im Wesentlichen doch nur darin, daß zwei
von den drei Personen in engere Beziehung gesetzt sind, während die dritte etwas weniger beteiligt erscheint,
ferner in dem formalen Zuge, der sich aber daraus wie aus der ganzen Anordnung von selbst ergibt, daß die
äußeren Figuren sich etwas nach innen kehren und jederseits das äußere Bein entsprechend etwas vorgeschoben
ist. Es fehlt aber der so charakteristische Zug des Orpheusreliefs, wie die beiden Figuren die Köpfe einander
zuneigen ebenso wie die charakteristische Handbewegung bei sämtlichen Figuren. Graeven ward wohl in seiner
Ansicht dadurch bestärkt, daß er in der linken Figur Hermes erkennen zu dürfen glaubte, also auch inhaltlich

9 Die Abschiedsszenen, auf denen sich Ehegatten, Eltern
und Kinder, auch Geschwister oder Freunde die Hände reichen,
finden sich in ganz Gallien zahlreich, auch im Treverer-Gebiet
fehlen sie nicht (aus Grünhaus b. Trier, Hettner, Steindenkm.
Nr. 314, aus Neumagen, Hettner, III. Führer Nr. 11 und Inv. Nr.
116 = Esperandieu VI 5133, 5142 und 5148; bei E.’s Abbildung
des letzten Stückes fehlt leider der Quader mit der Darstellung

des Händereichens, vergl. aber die Ergänzungszeichnung S. 341);
dem Igeler Bild am ähnlichsten in Anordnung und Haltung
ist das Dreifigurenrelief, das 1911 aus der Trierer Moselbrücke
entnommen wurde (Trierer Jahresber. V 1912 T. IV, 1 = Esperan-
dieu VI 5073).
2) Zeitschr. f. bild. Kunst N. F. XVI S. 165. Vergl. dazu
Röm.-Germ. Korr.-Bl. II 1909 S. 57.
 
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