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Westgiebel.
Taf. 15,2 (nach dem Gipsabguß), Abb. 59.
Mars und Rea Silvia.
Erhaltung: Es fehlt die ganze linke Ecke; an der rechten Seite ist das ansteigende Geison im oberen
Teil stark abgewittert. Alles übrige ist besonders gut erhalten.
Abb. 59. Westgiebel. Mars und Rea Silvia.
Beschreibung: An der Quelle, die durch eine in der rechten Ecke des Giebelfeldes liegende Urne be-
zeichnet ist, aus der das Wasser strömt, ruht auf dem felsigen Boden zurückgelehnt Rea Silvia. Das rechte
Bein ist angezogen, das linke ausgestreckt. Das Mädchen ist nackt bis auf den um die Beine geschlungenen
Mantel, der hinter der Gestalt höher heraufgezogen ist, sodaß der Körper darauf ruht. Der Kopf ist im Schlafe
auf die linke Schulter geneigt, der rechte Arm über den Kopf gelegt, dessen zurückgestrichenes Haar hinten in
einen Knoten zusammengefaßt ist; der linke Arm ruht locker auf dem Sitz des Mädchens. Unter seiner Achsel
steht ein Gefäß, von dem nur der lange Hals erhalten ist. Von links her kommt, fast die Mitte des Bildes
einnehmend, eilenden Schrittes der jugendliche Mars heran, den Blick auf das Mädchen gerichtet. Er ist nackt
bis auf den Mantel, der sich um den linken Arm schlingt und hinter dem Rücken flattert. Die linke Hand faßt
den Griff des runden Schildes, an dem der Randbeschlag durch eine umlaufende Linie angegeben ist; mit der
rechten hält der Gott eine Lanze im Arm, deren Spitze über den Rand des Geison herübergreift. Auf dem Haupt
trägt Mars einen Helm mit gezahntem in eine Volute endigendem Kamm und umgeschlagenem gewelltem Rand,
unter dem ringsum das Haupthaar zum Vorschein kommt.
Die richtige Deutung auf Mars und Rea Silvia kennt Raoul Rochette (Choix des peintures de Pompei
S. 204)1). Die Bildwerke (vergl. Hofer in Roschers Lexikon IV S. 64) lassen sich in zwei Hauptgruppen
scheiden. Die eine zeigt Rea Silvia, die von Mars beim Wasserholen überrascht wird, die zweite, zu der sich
das Relief der Igeler Säule stellt, läßt Mars die an der Quelle Eingeschlafene finden. So schildert Ovid es in
den Fasten III 9 ff. Das Mädchen kommt den Weg vom Ufer herab, stellt den Krug vom Haupte, setzt sich
ermüdet nieder und läßt den Wind die entblößte Brust kühlen. Vogelsang und das Plätschern des Baches schläfern
es ein, schlaff sinkt die Hand herab. So sieht sie Mars usw. Es ist lehrreich, das Igeler Relief mit dem Relief der
Ara Casali (Brunn, Kl. Schriften I, S. 41) zu vergleichen, die die Szene offenbar nach dem gleichen Vorbilde, aber besser
und vollständiger wiedergibt. Das Bild ist hier symmetrisch komponiert. Rechts sitzt der Flußgott. Neben ihm
schlummert, die Mitte des Reliefs einnehmend, das Mädchen, links tritt Mars heran. Rea Silvia entspricht in
jeder Bewegung der Figur der Igeler Säule, nur ist die ganze Figur hier richtig gelagert, während der Bildhauer
der Igeler Säule sie dem zu füllenden Raum zuliebe mehr aufgerichtet hat. Den Flußgott mußte er unterdrücken,
da für ihn kein Raum blieb, denn Mars, die stehende Figur, mußte möglichst in die Mitte des Giebels gerückt
werden. Um den Raum links einigermaßen zu füllen, ließ der Igeler Steinmetz den Mars weit ausschreiten
*) Kugler und Schorn nehmen eine formale Abhängigkeit
des Bildes von Darstellungen dieses Mythus an, wollen aber in
der Nymphe die Mosella sehen.
Westgiebel.
Taf. 15,2 (nach dem Gipsabguß), Abb. 59.
Mars und Rea Silvia.
Erhaltung: Es fehlt die ganze linke Ecke; an der rechten Seite ist das ansteigende Geison im oberen
Teil stark abgewittert. Alles übrige ist besonders gut erhalten.
Abb. 59. Westgiebel. Mars und Rea Silvia.
Beschreibung: An der Quelle, die durch eine in der rechten Ecke des Giebelfeldes liegende Urne be-
zeichnet ist, aus der das Wasser strömt, ruht auf dem felsigen Boden zurückgelehnt Rea Silvia. Das rechte
Bein ist angezogen, das linke ausgestreckt. Das Mädchen ist nackt bis auf den um die Beine geschlungenen
Mantel, der hinter der Gestalt höher heraufgezogen ist, sodaß der Körper darauf ruht. Der Kopf ist im Schlafe
auf die linke Schulter geneigt, der rechte Arm über den Kopf gelegt, dessen zurückgestrichenes Haar hinten in
einen Knoten zusammengefaßt ist; der linke Arm ruht locker auf dem Sitz des Mädchens. Unter seiner Achsel
steht ein Gefäß, von dem nur der lange Hals erhalten ist. Von links her kommt, fast die Mitte des Bildes
einnehmend, eilenden Schrittes der jugendliche Mars heran, den Blick auf das Mädchen gerichtet. Er ist nackt
bis auf den Mantel, der sich um den linken Arm schlingt und hinter dem Rücken flattert. Die linke Hand faßt
den Griff des runden Schildes, an dem der Randbeschlag durch eine umlaufende Linie angegeben ist; mit der
rechten hält der Gott eine Lanze im Arm, deren Spitze über den Rand des Geison herübergreift. Auf dem Haupt
trägt Mars einen Helm mit gezahntem in eine Volute endigendem Kamm und umgeschlagenem gewelltem Rand,
unter dem ringsum das Haupthaar zum Vorschein kommt.
Die richtige Deutung auf Mars und Rea Silvia kennt Raoul Rochette (Choix des peintures de Pompei
S. 204)1). Die Bildwerke (vergl. Hofer in Roschers Lexikon IV S. 64) lassen sich in zwei Hauptgruppen
scheiden. Die eine zeigt Rea Silvia, die von Mars beim Wasserholen überrascht wird, die zweite, zu der sich
das Relief der Igeler Säule stellt, läßt Mars die an der Quelle Eingeschlafene finden. So schildert Ovid es in
den Fasten III 9 ff. Das Mädchen kommt den Weg vom Ufer herab, stellt den Krug vom Haupte, setzt sich
ermüdet nieder und läßt den Wind die entblößte Brust kühlen. Vogelsang und das Plätschern des Baches schläfern
es ein, schlaff sinkt die Hand herab. So sieht sie Mars usw. Es ist lehrreich, das Igeler Relief mit dem Relief der
Ara Casali (Brunn, Kl. Schriften I, S. 41) zu vergleichen, die die Szene offenbar nach dem gleichen Vorbilde, aber besser
und vollständiger wiedergibt. Das Bild ist hier symmetrisch komponiert. Rechts sitzt der Flußgott. Neben ihm
schlummert, die Mitte des Reliefs einnehmend, das Mädchen, links tritt Mars heran. Rea Silvia entspricht in
jeder Bewegung der Figur der Igeler Säule, nur ist die ganze Figur hier richtig gelagert, während der Bildhauer
der Igeler Säule sie dem zu füllenden Raum zuliebe mehr aufgerichtet hat. Den Flußgott mußte er unterdrücken,
da für ihn kein Raum blieb, denn Mars, die stehende Figur, mußte möglichst in die Mitte des Giebels gerückt
werden. Um den Raum links einigermaßen zu füllen, ließ der Igeler Steinmetz den Mars weit ausschreiten
*) Kugler und Schorn nehmen eine formale Abhängigkeit
des Bildes von Darstellungen dieses Mythus an, wollen aber in
der Nymphe die Mosella sehen.