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Mengs, Anton Raphael [Ill.]; Roettgen, Steffi [Oth.]
Anton Raphael Mengs 1728-1779 (Band 1): Das malerische und zeichnerische Werk — München: Hirmer Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.54691#0175

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kräftigem Blau, in sich gestreifter karminroter Mantel, weißes Kopftuch;
Mobiliar in Goldbronzetönen, Tischplatte grau; Fußboden in Pastellblau,
Rosa und Beige.
Bibliographie
Inventar: Slg. Czernin 1844
Umständliche Beschreibung Dresdens mit allen seinen inneren und äußeren
Merkwürdigkeiten historisch und architektonisch (ohne Verf.). Leipzig 1783,
II, S. 738; Anonym o.O.o.J., S. 63; Nagler IX, 1840, S. 174; Parthey II, 1863/64,
S.106, Nr. 31; Woermann 1894, S. 175; F. Landsberger, J.H.W. Tischbein.
Leipzig 1908, S. 92; Christoffel 1918, S. 136,142; Voss 1924, S. 660; Gersten-
berg 1929, S. 21; Landsberger 1931, S. 56; Praz 1939 (Ed. 1959), S. 81;
Menegazzi 1966, o.S.; G.C. Argan, II Neoclassicismo. Rom 1968, S. 25; P.S.
Walch, Cleopatra before Augustus. In: The Register of the Museum of Art,
Kansas City III, 1968, Nr. 10, S. 25/26; Pelzei 1969, S. 103 ff.; Roettgen 1973/1,
S. 95; Saabye 1976, S. 12/13,37; Roettgen 1977/2, S. 148-156; Roettgen 1980,
S. 218, 221; Lammel 1986, S. 44; N. Jocher, Augsburger Kulturnachrichten,
Januar 1987; Gazette des Beaux-Arts 109,1987, Suppl. 1418, S. 13, Nr. 76
Sammlungskataloge: Wilczek 1936, S. 56, Nr. 285
Die Entstehung des in keinem der Werkverzeichnisse genannten
Gemäldes ist mit jenem Auftrag für ein Bild gleichen Themas in
Zusammenhang zu bringen, den Mengs durch die Vermittlung von
Thomas Jenkins 1759 erhalten hatte (Kat. Nr. 105). Voss hielt das
Augsburger Bild irrtümlich für eine Kopie nach dem Gemälde in
Stourhead, während Hönisch letzteres als die Erstfassung des Augs-
burger Bildes ansah. Auch Pelzel ging aufgrund der Korrespondenz
zum Stourhead-Gemälde davon aus, daß die von Hoare kritisierte
Unterwürfigkeit der Kleopatra Mengs dazu veranlaßte, in einer
zweiten Fassung diese Beanstandungen zu korrigieren.
Das kleine Format des Bildes spricht dafür, daß es sich hier um eine
verworfene erste Fassung für das von Hoare bei Mengs bestellte
Gemälde handelt. In dem Brief, den John Plimmer am 9.6. 1759 an
Hoare richtete (Kat. Nr. 105, Dok. 2), wird das bereits angefangene
Gemälde beschrieben. Diese Beschreibung scheint sich eher auf das
Augsburger Gemälde zu beziehen. Denn es ist davon die Rede, daß
die Szene in einem dunklen, geschlossenen Raum dargestellt sei,
»ornamented .. with pilasters, nitches Idols, in the Egyptian Taste«.
Diese Details passen besser zu dem geschlossenen, durch die hoch-
sitzenden Fenster als unterirdisches Gemach (im Text heißt er »se-
pulchre«) gekennzeichneten Raum, als zu der durch eine Kolonnade
rückwärtig geöffneten und insgesamt offeneren Architektur des Ge-
mäldes in Stourhead. Möglicherweise war der Auftraggeber gegen
die von Plimmer beschriebene Situation, was dann zur Aufgabe
dieser Version führte, deren großformatige Ausführung aber mögli-
cherweise schon existierte (QU 67).
Dargestellt wird in der ersten Fassung nicht die erste Begegnung,
sondern die sich anschließende längere Unterredung, die den Cha-
rakter eines Disputes hatte. Kleopatra versuchte, ihr Leben und ihre
Taten zu rechtfertigen, wurde aber von Augustus in jedem ihrer
Argumente widerlegt. Das antagonistische Moment wird durch die
Gegenüberstellung der beiden Gestalten veranschaulicht. Kleopatras
weisende Geste bezieht sich anscheinend auf die Statue Caesars im
Hintergrund. Deren Präsenz im Bild verweist auf die »Histoire
Romaine« von Rollin (erschienen 1738-1748), in der abweichend von
Plutarch beschrieben wird, daß sich in dem Zimmer mehrere Büsten
Caesars befanden. Kleopatra kam in ihrer Verteidigung mehrfach auf
Caesar zu sprechen. Gegenüber der Vorzeichnung wurde noch der
Diener Seleukos hinzugefügt, der ein Inventar ihrer Besitztümer
hereinträgt, während sie versucht, einige ihrer Besitzungen zu ver-
heimlichen.
Das Gemälde enthält eine Reihe antiquarischer Details, die im
Zusammenhang mit Mengs’ Interesse an authentischen antiken Ob-

jekten gesehen werden müssen, wie es sich auch in anderen Arbeiten
dieser Schaffensperiode dokumentiert.
Auch wenn sich bestimmte Vorbilder für die Hieroglyphen, die
Ptolemäerporträts und den Kanopos nicht nachweisen lassen, ist
anzunehmen, daß diesen Einzelheiten genaue Studien zugrundela-
gen. Die Statue des nackten Caesar, der mit einer Hand das Schwert,
mit der anderen den Apfel der Julier hält, richtet sich weitgehend
nach der Statue des Caesar Augustus in der Slg. Borghese, die außer
dem Apfel noch eine Rolle hält. Eine ebenfalls aus der Slg. Borghese
stammende Caesarstatue (heute Paris, Louvre, s. Reinach-Clarac I,
1897, Nr. 465) stimmt in den anderen Attributen überein: der Baum-
stumpf an der linken Seite, das Paludamentum über der Schulter
und ein Schwertgefäß in der Linken (das Schwert ist nicht erhalten).
Das Mobiliar - Ruhebett, Stuhl, Fußbänke und rehfüßiger Tisch -
hat ebenfalls antikischen Charakter. Die Form der beiden Fußbän-
ke kehrt in der Antikenfälschung mit Jupiter und Ganymed (Kat.
Nr. 108) in fast identischer Weise wieder. Die Form des Tisches ist,
worauf schon Gerstenberg hingewiesen hat, von einem herkulanei-
schen Gemälde übernommen, das von Gerstenberg als Vorbild für
die Komposition angesehen wurde.
Die architektonische Gliederung des Raumes, eine ionische Doppel-
pilasterordnung mit unverkröpftem Gesims, ist nicht antikisierend.
Das Gliederungsschema erinnert an zeitgenössische Bauten, z.B. an
den Palazzo Reale in Caserta. Der dennoch fremdartige Charakter
des Raumes rührt daher, daß die kleinen Fenster, durch die das Licht
in einem breiten Strahl wie in einen Schacht einfällt, unmittelbar
unter dem abschließenden Gesims sitzen. Dies ruft den Eindruck
eines unterirdischen, dunklen Gemaches hervor - wohl in Anleh-
nung an die Beschreibung des Raumes bei Plutarch als kerkerartiges
Gemach. Mengs dachte in der Tat ursprünglich daran, die Szene in
einem »sepulchre« (s. Kat. Nr. 105, Dok. 2) spielen zu lassen. Auch
der mit figürlichem Schmuck ausgestattete Türgiebel und die Nische
mit der Büste suggerieren ein fremdartiges »ägyptisches« Ambiente.
Der Raum ist eines der frühesten Beispiele im 18. Jahrhundert für
Imitationen »ägyptischer« Dekorationen.
Als kompositionelles Vorbild für die Dialogszene kommen antike
Totenmahlreliefs in Frage, wovon sich mehrere Exemplare in römi-
schen Sammlungen befanden, darunter auch eines in der Slg. Albani
(Nuova Nupta, Sarkophagrelief, Palazzo del Drago Albani alle Quat-
tro Fontane; vgl. AK Andrea Mantegna. London/New York 1992,
Nr. 145, S. 447). Darüber hinaus richtet sich Mengs aber auch nach
Poussins Gemälde mit Moses, der die Krone des Pharaos mit Füßen
tritt (Paris, Louvre). Jenes basiert auf antiken Vorbildern in der Art
der Totenmahlreliefs, die auch schon von Raffael in den Loggien
rezipiert worden waren.
Die Abhängigkeit von Poussin bestimmt alle wesentlichen Elemente
der Komposition, vor allem das Motiv der beiden sitzenden Figuren.
Kleopatras Pose folgt dem auf einem Ruhebett halb liegenden, halb
sitzenden Pharao. Die Haltung des Augustus stimmt weitgehend mit
der der Tochter des Pharaos überein. Auch das Vorhangmotiv im
Hintergrund, die Figuren am Kopfende des Ruhebettes, die beiden
Stützkissen des Ruhebettes und sogar die Form der Rückenlehne des
Bettes gehen auf Poussin zurück (vgl. auch Sofa, B. de Montfaucon,
L’antiquite expliquee et representee en figures. Paris 1719, Tome I,
T.37,2). Von der zweiten Version des Pharao-Gemäldes (Woburn
Abbey, Duke of Bedford) könnte der Schemel unter den Füßen der
Tochter des Pharaos übernommen sein, der in der Louvre-Version
fehlt. Aber auch der zweite, zum Bett gehörige Fußschemel, dem
Mengs allerdings die gleiche Form gibt, kommt als Motiv in beiden
Versionen von Poussins Komposition vor.
Durch den 1784 publizierten Kupferstich Earloms wurde das Bild in
einer Zeit bekanntgemacht, die seine antikisierende Strenge und
seine malerische Sprödigkeit zu schätzen wußte. So verwundert es

Griechische und römische Mythologie, historische Gestalten 155
 
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