Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mengs, Anton Raphael [Ill.]; Roettgen, Steffi [Bearb.]
Anton Raphael Mengs 1728-1779 (Band 1): Das malerische und zeichnerische Werk — München: Hirmer Verlag, 1999

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.54691#0285

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
und Batoni gewesen ist. Beide Maler waren jedoch in der britischen
Kolonie in Rom als Porträtisten bereits so bekannt, daß es keiner
besonderen Anstrengungen bedurfte, um von ihnen porträtiert zu
werden.
Die beiden Bildnisse unterscheiden sich im Porträttypus und in der
Auffassung und Charakterisierung des Dargestellten erheblich von-
einander. Mengs stellt den Lord vor einem Tisch sitzend in ganzer
Figur dar. Er hat vor sich einen Stoß von Büchern liegen, und auf
dem Tisch steht eine Büste, die in der älteren Literatur als Cicero-
porträt galt. Potts hat die These geäußert, daß es sich hierbei um
eine Porträtbüste des zweiten Duke of Montagu handeln könnte, der
der Großvater des Dargestellten war. Das Porträt würde demnach
den Anspruch der Familie Brudenell auf den verwaisten Titel Mon-
tagu unterstreichen. Zu Füßen des Dargestellten liegt ein Hund, der
zu ihm aufblickt. Im Hintergrund sieht man durch den halb geöffne-
ten Vorhang auf Bäume, die eine Parklandschaft englischen Stils
andeuten. Die Stimmung des Raumes und die Pose des Dargestellten
schaffen eine Atmosphäre, in der das Studierzimmer verbunden mit
den gesellschaftlichen Statussymbolen Hund und Parklandschaft zu
einem repräsentativen Ambiente wird, dessen Atmosphäre der Ge-
lehrsamkeit und Abgeschlossenheit modische Topoi sind, die in
engem Zusammenhang mit dem fest umrissenen Typus des Lords
der Grand Tour stehen.
Es ist auffällig, daß gerade hier, wo Batoni (Boughton House/Ketter-
ing; s. Clark/Bowron, Farbabb. Nr. 6) und Mengs gleichzeitig das
Bildnis desselben Mannes malten und, wie Lyte schreibt, mitein-
ander wetteiferten, Batoni den sonst von Mengs bevorzugten Typus
des halbfigurigen, nahsichtigen Porträts mit neutralem Hintergrund
wählt, während Mengs dem von Batoni meist verwendeten Bild-
nistypus folgt. Dieser bei der Gegenüberstellung beider Werke ins
Auge springende Sachverhalt ist bisher nicht hervorgehoben wor-
den, wenn auch auf die starken Unterschiede zwischen beiden
Bildnissen hingewiesen wurde. Es ist nicht auszuschließen, daß
beide Maler absichtlich einen vom Konkurrenten bevorzugten Por-
trättypus wählten, um so ihr Wetteifern bei diesem Auftrag unmittel-
bar anschaulich zu machen. Daß in der bisherigen Forschung das
von Mengs gemalte Bildnis Brudenells keine sehr günstige Beurtei-
lung fand (Clark, Voss, Fleming), bleibt unbegreiflich. Ebenso wie
man Batonis Bildnis als einen Höhepunkt seines Porträtschaffens der
fünfziger Jahre bezeichnet hat, kommt dem Mengsschen Porträt ein
nicht weniger bedeutsamer Platz innerhalb seines Porträtoeuvres zu.
Beide Maler haben Brudenell jeweils von einer anderen Seite seiner
Persönlichkeit her dargestellt. Batoni zeigt ihn mit Violine und
Notenbuch. Sein Gesichtsausdruck ist verträumt, und sein wie auf
einen unbestimmten Punkt gerichteter, leicht divergierender Blick
entzieht sich dem Gegenüber. Er scheint der soeben gelesenen
Partitur nachzusinnen. Der fast kindlich-naive Gesichtsausdruck
läßt ihn wesentlich jünger erscheinen als er war (23 Jahre). Dagegen
wird Brudenell von Mengs als Gelehrter dargestellt. Seine äußere
Erscheinung entspricht seinem wirklichen Alter. Er wirkt ernst,
gesammelt und erscheint als ausgesprochen intellektueller Cha-
rakter. Offenbar sah Mengs in Brudenell - vielleicht unter dem
Einfluß Winckelmanns - mehr den erfahrenen Erforscher und Er-
kunder Süditaliens, während Batoni mehr den luxusgewöhnten,
etwas labilen, gelangweilten und romantischen jungen Mann heraus-
stellte, dessen Tätigkeiten sich auf kultivierten Müßiggang be-
schränken.
Ein drittes Porträt in Dreiviertelfigur, das Brudenell im gleichen
Alter wie die beiden anderen Bildnisse zeigt, befindet sich im Besitz
von Lord Montagu of Beaulieu. Seine Zuschreibung an Mengs (Rus-
sell 1979, S. 16) ist trotz gewisser Abhängigkeiten von Mengs’
Porträtauffassung nicht überzeugend, möglicherweise war Thomas
Jenkins der Maler (s. AK London 1993, Nr. 3).


195

Vorzeichnung
VZ 1 1856 Madrid, Jose de Madrazo
Papier, Technik nicht bekannt, 280 x 210 mm
Bibl.: Kat. Galeria J. Madrazo 1856, S. 131
Dank der genauen Beschreibung im Katalog der Sammlung Madrazo ist die
eindeutige Identifizierung des Bildgegenstandes möglich. Dagegen enthält
der Katalog keine Angaben zur Technik und zum Ausführungsstatus der
Zeichnung, den man sich aufgrund der Beschreibung jedoch als recht detail-
lierte Kompositionszeichnung vorzustellen hat.

Graphische Reproduktion
GR 1 H. Meyer
Bez.: Engraved by H. Meyer
Bibl.: AK London 1954/55, S. 91

Kopie
WK 1 Bowhill, Slg. Duke of Buccleuch (Kat. Nr. 266 der Gemälde
in Dalkeith)
Brustbildnis ohne Hände
Öl auf Leinwand, 76,2 x 50,6 cm
Bibl.: Fleming 1958, Anm. 14; Russell 1979, S. 16
Gegenständlich und ausdrucksmäßig - bis auf den neutral belassenen Hin-
tergrund - stimmt die Teilwiederholung mit dem Original genau überein. Die
sorgfältige Ausführung spricht gegen eine Modellstudie, verweist aber auf
Mengs’ unmittelbaren römischen Umkreis als Urheber.

Männlich, nach Familiennamen 265
 
Annotationen