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Das erste, was die Chinesen von uns zu übernehmen sich
entschlossen, war unsere Waffen- und Maschinentechnik. Sie
glaubten, es würde genügen, um die Barbaren fernzuhalten,
wenn man ihnen Kanonen und Schiffe abkaufte und allenfalls
einige ihrer Instruktoren in Sold nahm, um den Gebrauch dieser
Werkzeuge zu lernen. Die Niederlage gegen die Japaner 1894
bewies bereits die Unmöglichkeit, auf diese äußerliche Weise
an das erhoffte Ziel zu gelangen. Im Boxeraufstand, 1899,
flammte zum letztenmal eine Reaktion des alten China empor:
der Versuch, unter Zusammenraffung aller Kräfte und
mit Hilfe himmlischer Geister die Fremden ins Meer zu werfen
und dann die alte Zeit der Selbständigkeit und Selbstgenüg-
samkeit des eigenen Wesens wieder herzustellen. Die tiefer
blickenden Geister in China hatten aber schon damals er-
kannt, daß es nicht möglich sein würde, die nähere Berührung
und Durchdringung mit der westlichen Kultur ganz zu ver-
meiden, wenn die äußere Kraft des Staatswesens aufrecht er-
halten werden sollte. Man gedachte, die Sache in der Weise zu
erreichen, daß eine Scheidung zwischen der Wissenschaft der
technischen Dinge und der eigentlichen geistigen Kultur vor-
genommen wurde: Naturwissenschaften, Mechanik, die Kunst
des Kriegswesens zu Lande und zu Wasser, Ingenieur- und
Ärztewesen, der ganze äußere Aufbau der westlichen Staaten,
ihre Verfassung und Verwaltung, ihr Steuer- und Finanzwesen —
das alles sollte herübergenommen werden. Im Innern des chine-
sischen Lebens aber hoffte man die Grundlagen der alten konfu-
zianischen Kultur, die Staats- und Sozialphilosophie des Weisen
aus Lu, den Gedanken des patriarchalisch-theokratischen Kaiser-
tums, die Pietät als Wurzel der Sittlichkeit und die mora-
lische Abneigung gegen das Fortschrittsprinzip
der westlichen Völker, denen der Kampf der
Vater der Dinge ist, unverändert zu erhalten.
 
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