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Rosenberg, Marc
Die Kunstkammer im Grossherzoglichen Residenzschlosse zu Karlsruhe — Karlsruhe, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.73578#0019
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Pyxis, Figuren
und Messer.


Höhe 6,2, 26,5,
Länge bis 39,9 cm.
Reproduction in ca. 2/3 Grösse.

Den Haupttheil der Grossherzoglichen
Kunstkammer bilden die Erzeugnisse der letzten
drei Jahrhunderte, während die der vorhergehen-
den numerisch nur schwach vertreten sind. Unter
diesen älteren Gegenständen würde die Gruppe
der Elfenbeinarbeiten die bedeutendste sein, wenn
nicht ein Theil derselben kritische Bedenken er-
weckte. Ohne Rücksicht auf derartige Erwä-
gungen ist die Notiz bei Westwood, Fictile
Ivories abgefasst, welche als Zeugniss unge-
nügender Information über die Bestände dieser
Sammlung hier Platz finden mag:
„Carlsruhe. A the Museum, attached
to the Palace, there are a few interesting
early wories, one representing the Acsen-
sion; another portraying our Lord stan-
ding beneath an arch holding a cross; also,
Portion of a cylindrical pyx with a repre-
sentation of a farm and labourers."
Die Pyxis. Das älteste Stück der Elfen-
beinsammlung ist das bei Westwood so falsch
beschriebene Fragment einer Pyxis, welches nach
einem Vermerk auf der Rückseite im Jahre 1848
bei Dörflingen (Schweiz) gefunden worden ist.
Wenn man bedenkt, dass die Pyxiden noch
ein strittiges Kapitel in der Kunstgeschichte sind,
und dass man die Lösung der Frage nach dem
Orte und dem Zwecke ihrer Anfertigung, sowie
den Zeitgrenzen ihrer ursprünglichen Benützung
besonders von einer Bereicherung des monumen-
talen Materials erwartet, so wird man den Eifer
verstehen, mit welchem jedem neuauftretenden
Exemplare dieser Gattung ein Platz innerhalb
der verwandten Denkmäler angewiesen wird.

Fragen wir nach dem heutigen Stande der
Forschung, so fasst dieselbe die Pyxiden im alt-
römischen Leben als Schmuckkästchen auf, im
christlichen hingegen zuerst als Ciborien,
dann als Reliquienbehälter (Kraus). Andere
wollen sie ausschliesslich als Ciborien (Müntz)
oder lediglich als Reliquienbehälter (Aus'm
Weerth) gelten lassen.
Was den altrömischen Ursprung betrifft, so
wird über denselben heute kein Zweifel mehr
laut, nur bleibt es bei einzelnen mit Scenen
aus dem antiken Leben geschmückten Exem-
plaren fraglich, ob sich nicht hinter der an-
scheinend heidnischen Darstellung ein christlicher
Gedanke verbirgt. Numerisch überwiegen die
altchristlichen Arbeiten, während die antiken, so-
wie die mittelalterlichen nur in geringer Anzahl
vorhanden sind. Bis jetzt verzeichnet die Li-
teratur nicht mehr, als etwa acht antike Pyxiden
der einschlägigen Art, welchen wir ein neuntes
aus der ehemaligen Sammlung Felix, ein zehntes
bei Baron Oppenheim in Köln und ein elftes, das
uns vorliegende, anreihen können. Das letztere
stellt eine bacchische Scene dar und verräth den
Stil des 3. bis 4. Jahrhunderts. Da das Relief an
einzelnen Stellen unterschnitten und die Augen-
sterne schwarz ausgefüllt sind, erweist es sich
durch Entstehungszeit und Technik den Pyxiden
von Paris und Sens verwandt.
Es fügt sich, dass gerade das Land Baden
ziemlich reich an Pyxiden ist, welche durchweg
wenig oder gar nicht bekannt sind. Die älteste
ist die eben besprochene, als zweite und dritte
wären die bei Lieutenant Gimbel in Baden (Frag-
 
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