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Rosenberg, Adolf; Kaulbach, Friedrich August von [Ill.]
Friedrich August von Kaulbach — Künstler-Monographien, Band 48: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.74631#0009
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Friedrich August Kaulbach.

Anfang der siebziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts, als Friedrich August
Kaulbach, der Großneffe Wilhelms, den
Entschluß faßte, sich dauernd in seiner Ge-
burtsstadt niederzulassen, bot die Münchener
Kunst, in der damals die Malerei die
Schwesterkünste weit überragte, das Schau-
spiel des Kampfes zwischen verschiedenen,
miteinander um die Herrschaft ringenden
Richtungen. Noch stand der greise Wilhelm
von Kaulbach als Direktor der Kunstakade-
mie an der Spitze des offiziellen Kunst-
wesens; aber von dem großen Namen war
nur noch der Schatten übrig geblieben, ob-
gleich der immer noch rüstige, geistesfrische
und künstlerisch schlagfertige Meister keines-
wegs gesonnen war, den Kampf aufzugeben,
den ihm die Erinnerung an seine ruhm-
volle Vergangenheit auferlegte. Vor kurzem
erst hatte die flammende Beredsamkeit, mit der-
er gegen die Heiligsprechung des spanischen
Ketzerrichters Peter von Arbues einen künst-
lerischen Protest erhoben hatte, in ganz
Deutschland Wiederhall gefunden, und als
bald darauf das Napoleonische Kaiserreich
unter den wuchtigen Schlägen Alldeutschlands
zusammenbrach, war es wieder Wilhelm von
Kaulbachs schnellfertiger Griffel, der in dem
„Heiligen deutschen Michel" für die in ge-
rechtem Zorn entbrannte, germanische Volks-
kraft das entsprechende Sinnbild fand. Aber
wie glücklich sich auch der Meister, wie er
es stets verstanden hatte, mit diesen und ähn-
lichen Schöpfungen der geistigen Strömung
seiner Zeit, den Neigungen der großen
Menge anzupassen wußte, so war doch in
Wirklichkeit die Zeit für diese halb alle-

gorisch-symbolische, halb tendenziös-satirische
Kunst vorüber. Unter den Führern der
künstlerischen Bewegung, die über die „philo-
sophische" Maleret längst hinweggeschritten
war, zählte Wilhelm von Kaulbach trotz
seiner gebietenden Stellung nicht mehr mit.
War doch bereits um diese Zeit das
Gestirn Karl von Pilotys, der im Gegen-
satz zu der philosophischen Geschichtsmalerei
die realistische zum Siege und zu einer
anscheinend für ewige Dauer begründeten
Herrschaft gebracht hatte, in Gefahr, von
einer neu aufstrebenden Schule verdunkelt
zu werden, deren Haupt aus der Pilotys
Hervorgegaugen war. Zu der Wirklichkeits-
schilderung, die in allen großen und kleinen
Zügen am lebenden und toten Modell
haftete, hatte schon Piloty die starke Be-
tonung der Farbe gesellt, ohne die der
volle Eindruck des Lebens niemals er-
reicht werden kann. Aber wie weit er
auch im malerischen Handwerk über die ihm
voraufgegangenen Generationen hinaus-
gediehen war, so entsprach er doch schon
um die Wende der sechziger Jahre nicht
mehr dem Sinne eines neuen Maler-
geschlechtes, dessen Führer den reinen
Kolorismus in den Vordergrund seiner Be-
strebungen gerückt Hatte. Aus Pilotys Werk-
statt selbst war das malerische Genie Hervor-
gegangen, das der staunenden Welt ein
ungeahntes Märchenreich voll berauschender
Farbenpracht und nie ermüdender Sinnen-
lust und Freude vorgaukelte. Hans Makart
bezauberte aber nicht bloß jene neue Mensch-
heit, die sich in den fetten Jahren nach
1870 und 1871 zu einer gesteigerten Ge-
 
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