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Rott, Hans; Rott, Hans [Hrsg.]
Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im XV. und XVI. Jahrhundert (Band 1, Text): Bodenseegebiet — Stuttgart, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.2915#0198
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CHUR

193

CHUR.

Das Rheintal aufwärts ziehend, möchten wir in Grauhündens Hauptstadt Chur
kurz verweilen und den dortigen Domaltären und ihren Meistern einige Auf-
merksamkeit schenken. Was zunächst die kunstgeschichtlichen Quellen am Ort
hetrifft, so ist es zu bedauern, daß nach den großen Stadtbränden von 1464 und
1574 die älteren Bestände des Stadtarchivs heute äußerst bescheiden sind; auch
unsere Erwartungen, in dem nur beschränkt geöffneten bischöflichen Archiv
neue Aufschlüsse über das Churer Kunstleben zu erhalten, namentlich über
Meister Ruß und den Ersteller des sog. Hewenaltars, wurden nur zu einem ge-
ringen Teil erfüllt. Nach Maßgabe des mir daselbst zugänglich gemachten dürf-
tigen Aktenmaterials kann ich freilich nicht dafür einstehen, daß sich in Zu-
kunft nicht doch weitere Funde in diesem Archiv ergeben; vielleicht kommt
dort auch der Originalvertrag Wolf Hubers über den Feldkircher Annenaltar
noch zutage (siehe oben).

Immerhin konnte ich die Tätigkeit des Ravensburger Bildhauers Jakob Ruß
schon seit dem Jahre 1481 und für den bischön. Hof seit 1483 erweisen, seinen
Aufenthalt in Chur schließlich bis zum Jahr 1519 hin verfolgen1. Es ist dem-
nach nicht anzunehmen, daß eine andere Werkstatt als die seinige das Sakra-
mentshäuschen von 1484 an der Nordseite des Domiimern hergestellt haben
sollte, wenn der in Stein und Holz arbeitende Meister kurz darauf den Auftrag
erhält, die wohlporträtierte Grabmalfigur Bischof Ortliebs von Brandis (1458
bis 1491) noch bei dessen Lebzeiten in Rotmarmor ausführen zu dürfen2.
Mangels urkundlicher Nachweise oder auswärtiger signierter Arbeiten ist es
zurzeit unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, wer von den zahlreichen dama-
ligen Meistern Ravensburgs — Ulrich Mair von Kempten, der Ateliergehilfe
des Meisters Jak. Ruß kommt nicht in Betracht — die Außenseiten der Hoch-
altarflügel mit der Geburt und Anbetung der Könige gemalt und für Chur gelie-
fert hat. Man kann an Peter Tagbrecht wie an die beiden älteren Bader hierbei
denken. Stilistisch stehen diesen Malereien des Hochaltars am nächsten: die im
Besitz der Witwe Spiegelhalter-Lenzkirch befindlichen Heiligenbilder mit
St. Margareta, Fides, Sebastian und Wolfgang, wie die in den Winterthurer

1. Qu. j). 265; über seinen Hoehaltar neuestens Joh. Schmucki, Die Kathedrale von Chur,
Filserverlag-Augsburg (1928), p. 29 f.

2. Leider kann ich den Ausführungen des von mir hochgeschätzten Forschers Wilh. Vöge
hierin und in andern, Nikolaus Hagenauer betr. Aufstellungen nicht restlos folgen. Vgl. dessen
Niclas Hagnower, p. 14 ff, 33 und 68 ff; auch der Verfertiger der Engelskonsolen zu St. Jodok in
Kavensburg ist in dem dortigen Atelier von Jakob Ruß am ehesten zu vermuten und zu suchen.

Über das Ulmer Sakramentshaus und seine Meister hoffe ich in dem Band „Alt-Schwaben
und die Reichsstädte" weitere Klärung bringen zu können.
 
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