54
MALEREIEN.
der Zahl, ausdrücklich an, und eines davon handelt insbesondre von Augen-
krankheiten, welche die häufigsten in Aegypten waren und noch sind.1) Da-
her darf es auch nicht Wunder nehmen, dass die Bewohner dem Horus,
einem Sohn der Isis und angeblichen Erfinder der Heilkunst, besondere Ehre
für ihnen so wichtige Entdeckungen bezeigten. Zahlreiche Zeugnisse schei-
nen endlich darzuthun, dass die Heilkunst aus Aegypten nach Griechenland
und von da nach Rom, mit allen ihren Gebräuchen wanderte, namentlich mit
dem, für die verschiedenen Theile des Körpers besondre Aerzte zu Rathe zu
ziehen. Dürfte darum nicht auch anzunehmen seyn, dass die ägyptischen
Mythen über ihre Geschichte nicht zurückblieben? Wir wollen jedoch nicht
anzumerken vergessen, dass man in Betreff der zuletzt angeführten Stelle bei
Hyginus anstatt „Apollo artem oculariam medicinam primus fecit,“ die
Lesart „artem oraculariam etc.“ vorgeschlagen hat. Nun war es allerdings
bei den Alten häufig Sitte, die Orakel wegen Krankheit um Rath zu be-
fragen und die Erfindung, dieser Art von Heilkunst gebührte dem Apollo
unbestritten, wie auch eine Stelle beim Hippokrates 2) beweist, wo nach der
Angabe, dass die Heilkunst und die Wahrsagekunst einander nahe verwandt
wären, hinzugefügt wird: Apollo sei der Vater von beiden und behandle be-
stehende und bevorstehende Krankheiten, indem er Leute heile, welche krank
wären und welche es noch werden sollten. — Die Arzenei- und die Wahrsage-
kunst haben wirklich in der Deutung der Krankheitsvorboten und Erschei-
nungen einen Berührungspunkt und vielleicht ist auch das nur des Hippokrates
Meinung gewesen.
Die zweite, bei Hyginus genannte mythische Persönlichkeit, welche auf
uuserm Gemälde erscheint, ist der Centaur Chiron, der nach Einigen den
Menschen die Thierheilkunst gelehrt haben soll. Diese, blos auf seine
Leibesgestalt gegründete Ansicht, stimmt jedoch nicht mit der gewöhnlichen
Meinung überein, welche den Chiron zum Gründer der Wundarzneikunst und
der Pflanzenkunde macht,3) weshalb er auch wol hier mit einer Pflanze in
der Hand vorgestellt ist. Eine Menge von Zeugnissen vereinigen sich dafür,
der Wundarzneikunst der Zeit nach den Vorrang4) vor andern Zweigen der
Medicin zuzusprechen. Hippokrates5) indessen scheint nicht damit einver-
standen und bemerkt: die erste Sorge des Menschen habe die Auswahl
derjenigen Thiere und Früchte der Erde seyn müssen, deren Genuss und
Geschmack ihnen am zuträglichsten und angenehmsten vorkam, woraus er
schliesst, dass die Diätetik oder derjenige Theil der Heilkunde zuerst ihre
Aufmerksamkeit beschäftigt habe, welcher sich mit den Regeln beschäftigt
1) Maillet, Descript. de l’Egypte, t. I.,
p. 18;
2) Epist. ad Philopoem. 2.
3) Plin. VII., 57; Hygin., fab. 271.
4) Cels. I. und VII., in praef.; Serv. zur
Aen., 369; Plin. XXIX., 1.
5) De vet. med., 6 ff.
MALEREIEN.
der Zahl, ausdrücklich an, und eines davon handelt insbesondre von Augen-
krankheiten, welche die häufigsten in Aegypten waren und noch sind.1) Da-
her darf es auch nicht Wunder nehmen, dass die Bewohner dem Horus,
einem Sohn der Isis und angeblichen Erfinder der Heilkunst, besondere Ehre
für ihnen so wichtige Entdeckungen bezeigten. Zahlreiche Zeugnisse schei-
nen endlich darzuthun, dass die Heilkunst aus Aegypten nach Griechenland
und von da nach Rom, mit allen ihren Gebräuchen wanderte, namentlich mit
dem, für die verschiedenen Theile des Körpers besondre Aerzte zu Rathe zu
ziehen. Dürfte darum nicht auch anzunehmen seyn, dass die ägyptischen
Mythen über ihre Geschichte nicht zurückblieben? Wir wollen jedoch nicht
anzumerken vergessen, dass man in Betreff der zuletzt angeführten Stelle bei
Hyginus anstatt „Apollo artem oculariam medicinam primus fecit,“ die
Lesart „artem oraculariam etc.“ vorgeschlagen hat. Nun war es allerdings
bei den Alten häufig Sitte, die Orakel wegen Krankheit um Rath zu be-
fragen und die Erfindung, dieser Art von Heilkunst gebührte dem Apollo
unbestritten, wie auch eine Stelle beim Hippokrates 2) beweist, wo nach der
Angabe, dass die Heilkunst und die Wahrsagekunst einander nahe verwandt
wären, hinzugefügt wird: Apollo sei der Vater von beiden und behandle be-
stehende und bevorstehende Krankheiten, indem er Leute heile, welche krank
wären und welche es noch werden sollten. — Die Arzenei- und die Wahrsage-
kunst haben wirklich in der Deutung der Krankheitsvorboten und Erschei-
nungen einen Berührungspunkt und vielleicht ist auch das nur des Hippokrates
Meinung gewesen.
Die zweite, bei Hyginus genannte mythische Persönlichkeit, welche auf
uuserm Gemälde erscheint, ist der Centaur Chiron, der nach Einigen den
Menschen die Thierheilkunst gelehrt haben soll. Diese, blos auf seine
Leibesgestalt gegründete Ansicht, stimmt jedoch nicht mit der gewöhnlichen
Meinung überein, welche den Chiron zum Gründer der Wundarzneikunst und
der Pflanzenkunde macht,3) weshalb er auch wol hier mit einer Pflanze in
der Hand vorgestellt ist. Eine Menge von Zeugnissen vereinigen sich dafür,
der Wundarzneikunst der Zeit nach den Vorrang4) vor andern Zweigen der
Medicin zuzusprechen. Hippokrates5) indessen scheint nicht damit einver-
standen und bemerkt: die erste Sorge des Menschen habe die Auswahl
derjenigen Thiere und Früchte der Erde seyn müssen, deren Genuss und
Geschmack ihnen am zuträglichsten und angenehmsten vorkam, woraus er
schliesst, dass die Diätetik oder derjenige Theil der Heilkunde zuerst ihre
Aufmerksamkeit beschäftigt habe, welcher sich mit den Regeln beschäftigt
1) Maillet, Descript. de l’Egypte, t. I.,
p. 18;
2) Epist. ad Philopoem. 2.
3) Plin. VII., 57; Hygin., fab. 271.
4) Cels. I. und VII., in praef.; Serv. zur
Aen., 369; Plin. XXIX., 1.
5) De vet. med., 6 ff.