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Ruskin, John
Ausgewählte Werke in vollständiger Übersetzung (Band 14): Moderne Maler (Band 4): Die Schönheit der Berge — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.4916#0266
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schön sein sollen, so rauss die Natur es fertig bringen, auf
eine oder die andere Weise dieses Element der Kurven-
stra'nlung in sie hinein zu tragen. Auch scheint es im
ersten Augenblick für die Natur nicht leicht zu sein, nicht
nur ausstrahlende Kurven, sondern Kurven überhaupt her-
vorzubringen. Bei den Aiguilles nämlich bog sie in der
Tat ihre Schichten. Bei diesen schieferigen Kristallinen
scheint es ihr nicht zu passen, die Schichten zu krümmen,
und wenn sie gerade bleiben sollen, muss sie die Krüm-
mung auf eine andere Weise herbeiführen.

§ 9. Eine Art, auf die sie es erreicht, ist an sich merk-
würdig einfach, aber einigermaßen schwierig zu erklären,
wenn der Leser sich nicht die Mühe macht, ein kleines
Modell aus Brotteig oder Ton anzufertigen. Bisher, be-
achte man, haben wir von den seitlich hervortretenden

Fig. 50 Fig. 51

Kämmen gesprochen, wie von einem seitlich gesehenen
griechischen Helm. Infolge von demnächst zu prüfenden
Vorgängen, sind diese Bergkämme so gestaltet, dass sie
von vorn oder hinten betrachtet (wie ein Helmbusch von
vorn oder hinten gesehen) den Umriss eines scharfen
Rückens oder Hausgiebels darbieten. Wenn nun die Breite
dieses Rückens an seiner Basis dieselbe bleibt, während die
Höhe allmählich von vorn nach hinten sich verringert (wie
von der Spitze des Helmkammes nach hinten), nimmt er
notwendigerweise die Gestalt eines solchen seltsamen Giebel-
daches an, wie es Fig. 50 im Profil aufweist, und in der

sitzen, kann in komplizierten Massen nur durch ein geübtes Auge empfunden
werden, und doch liegt hier häufig der Hauptunterschied zwischen guter und
schlechter Zeichnung. Ein Büschel von sechs oder sieben Federn, das den
Flügel eines der Cherubim auf Tizians Himmelfahrt in Venedig darstellt, weist
eine Kraft und Freiheit der Malerei auf, die noch kein Kopist oder Stecher
wiedergegeben hat, obwohl sie nur von der Feinheil der Kurve, nicht von der
Farbe abhängt.

Ruskin, Maler IV ]g
 
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