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F. Exkurse

I. Van der Goes' späte Verkündigung: Das Berliner Diptychon des Meisters
von 1499

Dem Meister von 1499 wird ein kleinformatiges Diptychon mit der Darstel-
lung der Verkündigung an Maria zugeschrieben, das sich heute im Bode-
Museum in Berlin befindet (Abb. 108)1. Es zeigt in geöffnetem Zustand auf
dem linken Flügel den gleichfalls von links heranschwebenden Erzengel vor
einer nahezu das gesamte Bildfeld ausfüllenden blattgoldenen Glorie, die nur
in den unteren Zwickeln der Tafel einen Abschnitt des Plattenbelags des Rau-
mes sichtbar läßt. Über Gabriels Haupt ist die Geisttaube dargestellt, ihrerseits
umgeben von einer gelblich weißen, zu den Rändern hin bläulich abgetönten,
mit Goldstrahlen belegten Lichterscheinung. Der rechte Diptychonflügel zeigt
Maria ins Gebet vertieft vor einer Bank am Boden kniend. Von der plötzlichen
Erscheinung des Engels überrascht, wendet sie sich ihm demutsvoll zu. Sie ist
von einer Fülle miniaturartig ausgebreiteter Gegenstände umgeben, die sich,
wie die Lilien und Nelken, die abgelegten Schuhe oder die Frucht auf dem
Fenstersims, in der von altniederländischen Bildern her geläufigen Weise auf
Inkarnation und Passion Christi beziehen. Hinter Maria öffnet sich eine tiefe
Raumflucht, die in einem langgestreckten, von Sonnenlicht durchfluteten
Gang endet.

Die Abhängigkeit des Berliner Diptychons von Werken des Hugo van der
Goes war erstmals von F. Winkler (1915/16)2 aufgezeigt worden. Als Kopie
nach einem verlorenen Werk aus Hugos Spätzeit wurde das Diptychon aber
erstmals von K. Arndt (1961, 1964)3 überzeugend nachgewiesen. Seiner Be-
weisführung schloß sich in der Folge auch F. Winkler (1964)4 an. Während
Winkler aber eine genaue Wiederholung von Hugos Komposition durch den
Meister von 1499 annahm, meldete Arndt5 im Hinblick auf die Gestaltung
der Aureole um den Engel wie der Raumflucht hinter Maria Zweifel an der
Treue des Kopisten an. Für Arndt stellte »... das kalte, seltsam entrückende
Weißblau ...« des linken Flügels eine nachdrückliche Entsprechung zum
Brügger Marientod (Tafel 16) dar, »... und so wie dort hätten wir wohl im

1 Berlin, Bode-Museum, Nr. 548; Eiche, je 15,9 x 9,5 cm; Winkler (1964), S. 226-229; ENP IV,
S. 76, Nr. 42, Tafel 47. Erstmals veröffentlicht als Werk des Meisters von 1499 von Winkler
(1915/16), Sp. 69-76. Paul Eeckhout, Les trois diptyques du Maitre de 1499; in: Bulletin des Musees
Royaux des Beaux-Arts 34-37 (1985-88), S. 49-62.

2 Winkler (1915/16), Sp. 69-76.

3 Arndt (1961), S. 170; derselbe (1964), S. 88-91.

4 Winkler (1964), S. 226-229.

5 Arndt (1964), S. 89.
 
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