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Sauer, Joseph
Die altchristliche Elfenbeinplastik — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 38: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.61244#0008
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Gelegentlich mögen auch Reliquien darin geborgen worden
sein, wie das Beispiel des Elfenbeinkästchens von Sa-
magher bei Pola zeigen kann, das ursprünglich für ein
christliches Brautpaar als Schmuckkästchen geschaffen
war. Auch sonst wissen wir, daß später zahlreiche pro-
fane Pyxiden und Kästchen für kultische Zwecke über-
nommen wurden; die Herstellung kirchlicher Elfenbein-
geräte war damit von selbst gegeben.
Nur für eine Gruppe von Schnitzereien können wir die
frühe Übernahme in den kirchlichen Gebrauch klarer
ersehen: bei den Diptychen. Diese Ehrengeschenke
wurden in der spätesten Kaiserzeit von den Konsuln
beim Amtsantritt verteilt, geschmückt mit den Bild-
nissen der beiden Würdenträger, mit Darstellungen der
von ihnen veranstalteten Festspiele und anderer Spen-
den ans Volk, in einfacherer Form nur mit Ornament.
(Tafel 1, 2, 3). Auch andere höhere Beamte und selbst
Privatpersonen teilten bei Hochzeiten u. a. solche Luxus-
gaben aus. Die anderthalb Jahrhunderte, auf die sich die
datierbaren Diptychen Roms und Konstantinopels ver-
teilen, von rund 400 an, zeigen im Osten wie Westen
die Elfenbeinplastik auf allen Stufen des langsamen Ab-
stieges von klassischer Schönheit und Vollkommenheit bis
zur handwerksmäßigen unbeholfenen Schablone. Diese
Profandiptychen sind nicht nur, insbesondere häufig in
der Übergangszeit zum Mittelalter, in den kirchlichen
Gebrauch übernommen worden, indem auf die Innen-
seite die Liste der Namen der Gemeindehäupter (Bi-
schöfe), der Märtyrer und Bekenner, der verstorbenen
Gemeindemitglieder und Wohltäter zur Verlesung im
Kanon der heiligen Messe oder bei andern Veranstaltun-
gen, oder auch die Liste der Neugetauften eingetragen
wurden. Der Schmuckgegenstand erhielt also wieder
seine ursprüngliche praktische Bedeutung. Der profane
Charakter der Darstellungen wurde dabei gelegentlich
religiös-kirchlich umgeändert; so auf zwei Monzeser Ta-

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