Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schede, Martin; Eldem, Halil Edhem [Hrsg.]
Meisterwerke der tuerkischen Museen zu Konstantinopel (Band): Griechische und roemische Skulpturen des Antikenmuseums — Berlin, Leipzig: Verlag von Walter de Gruyter, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49909#0011
Lizenz:
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Tafelbilder folgen sich ungefähr entsprechend ihrer Entstehungszeit, und nur in wenigen
Fällen (auf Tafel 7, 10, n), wo die Verschiedenartigkeit der Stile besonders lehrreich schien, sind
zeitlich weit auseinanderliegende Skulpturen auf demselben Blatte sich gegenübergestellt» So bietet
die Tafelreihe einen gewissen Überblick über die lange Entwicklung der griechischen und römischen
Kunst»
Die ältesten Kunstwerke, welche wir vorführen, sind archaisch-griechischen Stils» Diese Kunst-
art, deren Hauptzeit das VI» Jahrh» v» Chr» ist, kennt wie jeder primitive Stil, der vor der Erfindung
der perspektivischen Wiedergabe (um 500 v» Chr») liegt, nur richtungsgerade Darstellung, d» h» genau
von vorn und genau von der Seite; sie hält sich außerdem an die Vorstellung, die der Mensch von
den Dingen hat, nicht an die Wahrnehmung, die das Auge aufnimmt, so daß mit Vorliebe die für
das Wesen des Gegenstandes am meisten bezeichnende Ansicht gezeigt wird, gleichgültig, ob sie aus
der Richtung, aus der die Darstellung gemacht wird, so wahrnehmbar ist oder nicht» So erscheint
Z» B» in einem von der Seite gesehenen Gesicht das Auge in der Vorderansicht» Dazu kommt als
wesentlich für die archaische Kunstart die Gewohnheit, die Vielheit einer Sache durch genau unter
sich gleiche Formen wiederzugeben, während es später und noch bei uns üblich ist, die Vielheit durch
ständig wechselnde Formen auszudrücken» Der archaische Stil wendet also Gesetze, die in der Ar-
chitektur und in der Ornamentik gelten, wo alle Kapitelle, alle Palmetten einander gleichen müssen,
auf die bildende Kunst an und gibt Haare, Gewandfalten, Gruppen von Menschen und Tieren in
einer uns schematisch erscheinenden Regelmäßigkeit» Die Anlehnung an das Ornamentale führt auch
zu einer, der natürlichen Erscheinung oft widersprechenden, gefälligen Abrundung aller Linien des
Umrisses und der Innenzeichnung»
Aus dieser Gebundenheit befreit sich die archaische Kunst im Laufe des V» Jahrhunderts v» Chr»
schrittweise zu der uns heute geläufigen und uns richtig erscheinenden Wiedergabe der Dinge, die
der Wahrnehmung des Auges genau entspricht und außerdem richtungsfrei ist, d» h» Schrägansichten
und perspektivische Verkürzung kennt und der die Erkenntnis von der unendlichen Mannigfaltigkeit
der Naturerscheinungen zugrunde liegt»
Als erstes Bild zeigen wir einen wahrscheinlich aus Rhodos stammenden überlebensgroßen
Jünglingskopf (Tafel 1)» Von vorn betrachtet scheint der Bau des Gesichtes von einem System von
Bogenlinien auszugehen; zwei Kreislinien haben ihren Mittelpunkt in den Pupillen und bilden die
hochgeschwungenen Augenbrauen und die merkwürdige Form der sich nach unten verdickenden Nase»
Eine andere Kreislinie von größerem Halbmesser ergibt den wie zum Lächeln leicht nach oben ver-
zogenen Mund; sie berührt den obersten Punkt der freien Stirn und die äußersten Winkel der Augen-
höhlen» Die Augen stehen etwas schräg nach oben außen und sind von mandelförmigem Schnitt»
Die Lider treten wulstig hervor, desgleichen die Unterlippe» Die Ohrmuschel bildet sich aus drei
sehr regelmäßigen, ineinandergreifenden Spiralen» Das Ohrläppchen ist mit einem kreisrunden, einst
durch Farbe hervorgehobenen Schmuckstück zugedeckt»
Besonders sorgfältig ist das Haar wiedergegeben» Das Stirnhaar ist nach hinten zurückge-
kämmt und liegt auf dem Vorderkopf in doppelter, über den Ohren sogar in dreifacher Schichtung
auf; im übrigen fällt es in breiter Masse auf den Nacken, wobei sich rechts und links, von den
Ohren ausgehend, je eine besondere dicke Strähne bildet» Alle Teile dieser Frisur sind deutlich, je-
doch immer mit ornamentalen Ausdrucksmitteln voneinander geschieden: der Haaransatz wird über
Meisterwerke Konstantinopel I 1
 
Annotationen