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Scheffler, Ludwig
Michelangelo: eine Renaissancestudie — Altenburg: Geibel, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.71558#0033
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und diese zum einzigen und letzten Male entfacht habe. Er
kennt den hellenischen Schönheitskultus Michelangelo's. Und
wie er diesen an anderer Stelle zugesteht, ja, den verleug-
neten Cavalieri - Alkibiades, — wenn schon in versteckter
Weise nur — wieder auf die Scene führt, ist so charakte-
ristisch, dass ich auch hier seine eigenen Worte gebe. Nur
eines daran ist neu und überraschend: der hier zum ersten
Male sich äussernde Ton der Abwehr, der Vertheidigung.
Er erklärt jedoch anderseits, weshalb die Colonnafreundschaft
oben mit solch' besonderer Wärme besprochen wurde.
»Auch die Schönheit des Körpers,« sagt Condivi von
Michelangelo, »hat er geliebt, als Einer, der sie auf das
Beste kennt, und dermassen hat er sie geliebt, dass dies
gewissen fleischlich gesinnten Menschen, die keine andere
Liebe zur Schönheit begreifen, als eine lüsterne und schänd-
liche, Ursache gegeben hat, von ihm Uebles zu denken und
zu sprechen, als ob Alkibiades, ein sehr schöner Jüngling,
nicht wäre von Sokrates auf das Keuscheste geliebt worden.
(Folgt der Hinweis auf die im Cap. XXXIV des Symposion
geschilderte Scene zwischen Sokrates und Alkibiades.) »Ich
habe,« fährt Condivi in demselben Zusammenhange fort, »den
Michel Angelo zu öftern Malen selber über die Liebe
sprechen und sich unterreden hören, und habe dann auch
von jenen gehört, die anwesend waren, dass er von der
Liebe nicht anders gesprochen, als davon im Platon ge-
schrieben steht. Ich meinestheils weiss nicht, was Platon
darüber sagt, aber ich weiss wohl, dass, nachdem ich so
lange und innig mit ihm verkehrt habe, ich aus seinem Munde
nichts als die ehrbarsten Reden habe hervorgehen gehört,
welche wohl die Kraft hatten, in der Jugend jede wüste und
zügellose Begierde auszulöschen, die in derselben entstehen
mochte. Und dass in ihm keine hässlichen Gedanken auf-
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