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24 —
Gemäldegallerie entstehen, die an Wänden und Decke Scenen
aus dem Leben Michelangelo's zu seiner Verherrlichung vor-
führte. Hier endlich, im reichen Archive des Hauses, stellte
er die genannte Gedichtsammlung zusammen. »Eine andere
Krone« Michelangelo's Ruhmestiteln beizufügen1), war, —
wie der Grossneffe in der Dedikation dieser »Rime« sagt, —
die Absicht. Leider ist diese »corona« jedoch keine echte
gewesen. Ihr falscher Schillerglanz hat Jahrhunderte lang
die Augen der Michelangelo-Verehrer geblendet.
Die Aufgabe, die Gedichte Michelangelo's herauszugeben,
war freilich für Buonarroti, so wie er einmal war, keine
leichte. Er ist selbst ein renommirter Dichter2). Sein ver-
feinerteres Sprachgefühl stösst sich daher an der rauhen
Kraft des michelangelesken Ausdrucks, welchen er zudem
dunkel und schwerverständlich empfindet. Auch theilt der
junge Michelangelo nicht des Grossohms vordringende poli-
tische Gesinnung, sowie er ängstlicher in Bezug auf kirch-
liche Rechtgläubigkeit ist. Vor Allem jedoch die Erotik
dieser Gedichte! Nein, das ging so nicht. »Das könnte
der Unwissenheit Grund zu Gerede geben3).« Der Gross-
neffe beschliesst daher, um die Reputation des berühmten
Verwandten nach jeder Richtung hin sicherzustellen, dessen
poetischen Nachlass einer gründlichen Revision zu unterziehen.
Der Text wird zu diesem Zwecke nicht nur obenhin gefeilt
und geglättet; Worte, ganze Sätze werden vielmehr unter-

i) Diese Vorrede ist an den Kardinal Maffeo Barberini gerichtet; ab-
gedruckt bei Guasti a. a. O. p. LXVIII.

, Er schrieb Komödien, von denen die »Tancia« und die »Fiera«
bis jetzt ihren Platz in der italienischen Litteratur behauptet haben.

3) >L'ignoranzia degli uomini ha campo di mormorare«, sagt der Gross-
neffe in dem eigenthümlichen Selbstgespräch, mit dem er seine Abschrift
der Michelangelo-Gedichte wiederholt unterbricht und die vorgenommenen
Aenderungen vor sich entschuldigt, cf. Guasti, a. a. 0. p. XLV.
 
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