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mit einer schlagenderen Rechtfertigung, als dem Hinweise
auf die Liebe einer Frau und zwar einer der frömmsten und
vornehmsten ihrer Zeit, begegnen? Je mehr die Kenntniss
davon weitere Kreise ergriff, um so besser für die »Unwissen-
heit« der Zeiten. Wiederholt kommt daher Condivi in seiner
Vita auf die Marchesa zu sprechen; die an letztere gerich-
teten Madrigale und Sonette gehören zu den Ausnahmen in
Michelangelo's Gedichten, die mit ihrer bestimmt gegebenen
Adresse uns überliefert sind! Daraus spricht, wie gesagt,
Absicht. Und wenn man denn etwas Conventionelles in des
Meisters Poesien durchaus finden will, bin ich am wenigsten
abgeneigt, es in den von Anfang an wohl mehr für die
Oeffentlichkeit bestimmten Sonetten »Beim Tode der Vittoria
Colonna« zuzugeben. Zum Theil wenigstens. Ich meine die
Uebertreibungen des 63. Sonettes, die gewisse Spitzfindigkeit
des Vergleiches in Sonetto LXI, ja, den bedenklicher noch
spielenden Gedanken1) des 64. Sonettes!
x) Im 63. Sonett wird beklagt, dass er nicht früher (gestorben), zum
Himmel aufgestiegen, wo Vittoria ihm noch den Flug nach oben erleichtert
hätte. Und nach weiterer Ausführung des Gedankens: »Wer soll jetzt mir
rathen ?« — Das 61. Sonett giebt scheinbar nur ein Bild aus der Sculptoren-
thätigkeit; es verbindet sich jedoch damit, wie Guasti richtig erwähnt, eine
platonische Vorstellung aus dem Cratilos (a. a. 0. p. 226, Anm. 1). Wenn
ich schaffe, folgt meiner Hand der Hammer. Letzterer geht also sozusagen
mit »fremden Füssen«. Der göttliche Hammer regiert sich nur durch sich
selbst. Mein irdischer »martello« wird also fehlen, wenn der göttliche
(Deine verklärte Seele) mir nicht zu Hülfe kommt. Bildhauerkunst und
Seelenbesserung vermengen sich jedoch in dieser Vorstellung. Das mensch-
liche Instrument ist das reale und wieder Michelangelo's Seele, die sich
nach dem Vorbilde der verklärten Freundin richten sollen. — Sonett LXIV
wird mir schwer, als auf die todte Freundin gedichtet, zu halten. Man höre
den leichten Ton! Es sei kein Wunder, dass, nachdem er in der Nähe
des Feuers sich ganz verzehrte, er nun nach dessen Erlöschen (nachdem
der Himmel ihm die Freundin genommen?) nur noch glimmende Asche
sei. Bringt Amor nicht anderes Holz, die Flamme zu entfachen, so sprüht
aus mir kein Fünkchen mehr!!
mit einer schlagenderen Rechtfertigung, als dem Hinweise
auf die Liebe einer Frau und zwar einer der frömmsten und
vornehmsten ihrer Zeit, begegnen? Je mehr die Kenntniss
davon weitere Kreise ergriff, um so besser für die »Unwissen-
heit« der Zeiten. Wiederholt kommt daher Condivi in seiner
Vita auf die Marchesa zu sprechen; die an letztere gerich-
teten Madrigale und Sonette gehören zu den Ausnahmen in
Michelangelo's Gedichten, die mit ihrer bestimmt gegebenen
Adresse uns überliefert sind! Daraus spricht, wie gesagt,
Absicht. Und wenn man denn etwas Conventionelles in des
Meisters Poesien durchaus finden will, bin ich am wenigsten
abgeneigt, es in den von Anfang an wohl mehr für die
Oeffentlichkeit bestimmten Sonetten »Beim Tode der Vittoria
Colonna« zuzugeben. Zum Theil wenigstens. Ich meine die
Uebertreibungen des 63. Sonettes, die gewisse Spitzfindigkeit
des Vergleiches in Sonetto LXI, ja, den bedenklicher noch
spielenden Gedanken1) des 64. Sonettes!
x) Im 63. Sonett wird beklagt, dass er nicht früher (gestorben), zum
Himmel aufgestiegen, wo Vittoria ihm noch den Flug nach oben erleichtert
hätte. Und nach weiterer Ausführung des Gedankens: »Wer soll jetzt mir
rathen ?« — Das 61. Sonett giebt scheinbar nur ein Bild aus der Sculptoren-
thätigkeit; es verbindet sich jedoch damit, wie Guasti richtig erwähnt, eine
platonische Vorstellung aus dem Cratilos (a. a. 0. p. 226, Anm. 1). Wenn
ich schaffe, folgt meiner Hand der Hammer. Letzterer geht also sozusagen
mit »fremden Füssen«. Der göttliche Hammer regiert sich nur durch sich
selbst. Mein irdischer »martello« wird also fehlen, wenn der göttliche
(Deine verklärte Seele) mir nicht zu Hülfe kommt. Bildhauerkunst und
Seelenbesserung vermengen sich jedoch in dieser Vorstellung. Das mensch-
liche Instrument ist das reale und wieder Michelangelo's Seele, die sich
nach dem Vorbilde der verklärten Freundin richten sollen. — Sonett LXIV
wird mir schwer, als auf die todte Freundin gedichtet, zu halten. Man höre
den leichten Ton! Es sei kein Wunder, dass, nachdem er in der Nähe
des Feuers sich ganz verzehrte, er nun nach dessen Erlöschen (nachdem
der Himmel ihm die Freundin genommen?) nur noch glimmende Asche
sei. Bringt Amor nicht anderes Holz, die Flamme zu entfachen, so sprüht
aus mir kein Fünkchen mehr!!