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Schenkel, Wolfgang
Aus der Arbeit an einer Konkordanz zu den altaegyptischen Sargtexten — Wiesbaden, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.14996#0189

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II. Zur Pluralbildung des Ägyptischen

(Genaueres siehe unten §2). Auf die hieroglyphischen Belege greift man gewöhnlich nur noch in
Sonderfällen zurück; z.B. hat man einige Mühe darauf verwandt, die urkoptische »doppelte«
Pluralendung ~ww in hieroglyphischen Schreibungen nachzuweisen (Genaueres siehe unten §3).
Im übrigen hat man sich um die hieroglyphischen Belege bei der Rekonstruktion der Plurale nicht
viel geschert. Man gab sich mit der Beobachtung zufrieden, daß in der Hieroglyphenschrift in aller
Regel nicht mehr Konsonanten auftreten als die urkoptischen Ansätze zulassen. Daß dagegen im
allgemeinen auffallend weniger Konsonanten in der Hieroglyphenschrift auftreten als nach den
urkoptischen Pluralbildungen möglich, wurde pauschal mit Defektivschreibung erklärt, ohne daß
freilich je überprüft worden wäre, ob nicht die Defektivschreibung »System hat« bzw. ob nicht

- umgekehrt die urkoptischen Rekonstruktionen hinsichtlich des Konsonantenbestandes etwas
zu opulent geraten sind und die knapperen hieroglyphischen Schreibungen recht adäquat die realen
Pluralformen des Ägyptischen wiedergeben.

Der wissenschaftsgeschichtliche Rückblick, wie er in skizzenhafter Weise in den vorausgehenden
Absätzen versucht wurde, hätte keinen rechten Zweck, wenn er allein am Gang der Dinge Kritik
üben sollte. Vielmehr kam es darauf an, Ansatzpunkte für die anstehende Forschung freizulegen.
Die perspektivische Betrachtungsweise wird denn wohl auch haben vermuten lassen, wohin die
folgende Untersuchung gelenkt wird. Um dem Leser die Richtung der Argumentation von Anfang
an klar vor Augen zu stellen, seien die Hauptziele bereits hier explizit genannt. Es soll gezeigt
werden,

a) daß die Hieroglyphenschrift bei der Schreibung der Plurale regelhafter ist, als man bisher
zuzugestehen bereit war;

b) daß die Pluralbildung des Urkoptischen, wie sie derzeit angesetzt wird, nicht mit der Plural-
bildung der hieroglyphischen Texte übereinstimmt.

Es soll ferner gezeigt werden,

c) wie die Pluralbildung der hieroglyphischen Texte aussieht und wie diese auf - - weitgehend
lautgesetzlichem Weg mit der koptischen Pluralbildung einerseits und mit der Pluralbildung des
Hamitosemitischen andererseits verbunden werden kann.

Im einzelnen soll nachgewiesen werden:

d) daß die Pluralendung ~w nicht die einzige und nicht die älteste Art der Pluralbildung darstellt,
daß sie vielmehr aus einer Kollektivbildung abzuleiten ist;

e) daß daneben als die ältere Pluralbildung die Längung eines Phonems auftritt und diese Längung
in bestimmten lautlichen Umgebungen ein "w entstehen (und dann auch in der Schrift
erscheinen) läßt, in anderen dagegen nicht;

f) daß es innere Plurale ohne eine Endung ~w gab, die im Laufe der Sprachgeschichte lautgesetzlich
mit den Singularen zusammenfielen und in diesem Zustand im Koptischen erhalten sind.

Im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der Pluralbildung wird sich schließlich ergeben, daß
die Gesetze der Silbenstruktur, auf denen die derzeit gültigen Rekonstruktionen der urkoptischen
Plurale beruhen, umzuformulieren sind, dahingehend nämlich, daß es im Auslaut ägyptischer
Wörter doppelt geschlossene, evtl. auch überlange Tonsilben gab. Nach dieser Änderung wird sich
dann eine urkoptische Pluralbildung rekonstruieren lassen, die mit dem Befund der hiero-
glyphischen Texte besser harmoniert als die derzeit angenommene.
 
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