Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
60

Kerze überstrahlt. Hinter Joseph erhebt sich eine Landschaft mit der Verkündigung an die
Hirten (Lk2,10-ll). Verstärkt ist die Zweiteilung der Szene durch den als Stütze des
Stalldaches dienenden Holzstamm in der Mittelachse des Bildes. Von der biblischen Szene
räumlich abgesetzt, kniet am unteren Flügeltafelrand die Stifterfamilie auf einem separaten
Wiesenstück.
Mehr als an den Figuren ist an der Landschaftsgestaltung der Geburtsdarstellung abzulesen,
daß auch dieses Bild von dem Maler stammt, der für die Altarinnenseite zuständig war. Die
ansteigende Hügellandschaft mit ihren hochstämmigen Bäumen enstpricht der Gestaltung in
den Freiluftzenen der Georgslegende. Der am Himmel schwebende Engel, der die Geburt
Christi den Hirten verkündet, ist nicht mehr der Formensprache Lochners verpflichtet. Sein
Gewand ist weder lochnerartig geschweift, noch hat er dessen Engelsfigürchen mit ihren
runden Gesichtern, den Pausbacken und Löckchen zum Vorbild. Vielmehr erinnert die Figur
mit ihrem am Saum aufgebauschten Gewand und den großen, zierlichen und spitzen Flügeln an
Engelsfiguren in Rogier van der Weydens Oeuvre. Parallelen ergeben sich zu den im
Kirchenraum schwebenden Engeln auf Rogiers Sakramente-Altar282 (Abb. 82).
Über einen ähnlich zweitgeteilten Aufbau wie das Geburtsbild verfügt auch die Ecce homo-
Szene auf der rechten Flügeltafel des Georgsaltars. Die linke Bildhälfte nimmt die Architektur
mit der Geißelsäule ein. Darin stehen Pilatus, der auf den mit Wundmalen übersäten Christus
weist und ein Scherge. Von dem Bau führt eine Treppe herab zu der den Tod Christi
fordernden Menge. Diese Figurengruppen ist auf den rechten Bildteil beschränkt, der
rückwärtig von einer Mauer begrenzt wird. Wie im Geburtsbild knien auch auf dem
Passionsbild abgesetzt vom Geschehen Stifterfiguren am unteren Flügeltafelrand.
Außergewöhnlich ist diese Einfügung von Stifterfiguren in das Ecce homo-Bild, die sich auf
dem Georgsaltar zum ersten Mal in der Tafelmalerei nachweisen läßt. Als bekanntestes
Vergleichsbeispiel sei die Ecce homo-Tafel283 mit Stifterfamilie von Hieronymus Bosch im
Frankfürter Städel genannt. Die Bedeutung der Einfügung von Stifterfiguren in eine Ecce
homo-Szene, auf der Christus dem die Kreuzigung fordernden Volk präsentiert wird, liegt in
der Gegenüberstellung von Christusgläubigen und -gegnern.
282 Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Künsten, Inv.Nr. 393-395, Eichenholz, Mittelteil
200 x 97 cm, jeder Flügel 119 x 63 cm.
283 Frankfurt a.M., Städelsches Kunstinstitut, Inv.Nr. 1577, Eichenholz, 71,1 x 60,5 cm; Bei der 1983
durchgeführten Restaurierung wurden die weitgehend zerstörten Stifterfiguren freigelegt. Am linken
Bildrand knien die männlichen Mitglieder und am rechten Bildrand die weiblichen Mitglieder der
Stifterfamilie; Kat. Frankfurt a.M., 1993, S. 30-31.
 
Annotationen