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als eine Vorbereitung zur Sittlichkeit zu betrachten. Freylich
ist diese ganze Verknüpfung sehr precär. Wir wollen den
Anfangspunkt nur noch ein wenig beleuchten, wovon Kant
ausgeht, und der die ganze Stelle dieser Wissenschaft in seinem
Systeme bestimmt. s
s18i'i „Der Verstand, sagt Kant, ist nur in so weit
gesetzgebend für die Natur, als es die Möglichkeit einer Er-
fahrung überhaupt erfodert, alles übrige läßt er unbestimmt.
Diese in Ansehung seiner zufällige Einrichtung der Natur
könnte nun so beschaffen seyn, daß es unmöglich wäre, die m
Erkenntniß derselben unter eine für uns faßliche Ordnung zu
bringen. Sie wird aber nicht so beschaffen seyn, wenn ein
Verstand ihre besondern Gesetze zum Behuf eines Erfahrungs-
Systems eingerichtet hat. Der Verstand wirkt nach Zwecken;
diese Art also die Natur zu betrachten als wenn sie nach is
Zwecken gehandelt hätte, ist ein Grundsatz, den wir nicht aus
der Erfahrung schöpfen, sondern schon dabey voraussetzen, der
sich aber bloß ans das Bedürfniß unsers Verstandes gründet.
Wir schreiben der Natur kein Gesetz dadurch vor, lernen auch
keines von ihr, sondern es ist bloß eine Vorschrift für das 20
Verfahren unsrer Urtheilskraft bey der Betrachtung der Natur-
gegenstände."
„Der Verstand wendet seine allgemeinen Gesetze auf die
Wahrnehmungen nothwendig und also unabsichtlich an. Die
Übereinstimmung der Natur mit ihnen kann daher kein Gefühl 25
der Lust in uns hervorbringen. Die Natur durch Erfahrung
in ihren zufälligen Beschaffenheiten zu erkennen ist dagegen
s19i»s eine Absicht; und ihre Übereinstimmung mit unserm
Bedürfnisse muß uns folglich (wegen der Erreichung unsrer
Absicht) ein Gefühl der Lust erregen. Wenn uns nun ein so
Gegenstand der Anschauung durch die bloße Auffassung seiner
Form eine Lust erregt, die nicht von bestimmter Erkenntniß
herrührt sondern vor derselben hergeht, so müssen wir daraus
schließen, daß er zweckmäßig für unser Erkenntnißvermögen
eingerichtet ist." 35
Auf diesem Schlüsse ruht Kants ganze Theorie vom
Schönen. Man sieht nicht ein, wie er sich zu dieser Plötz-
als eine Vorbereitung zur Sittlichkeit zu betrachten. Freylich
ist diese ganze Verknüpfung sehr precär. Wir wollen den
Anfangspunkt nur noch ein wenig beleuchten, wovon Kant
ausgeht, und der die ganze Stelle dieser Wissenschaft in seinem
Systeme bestimmt. s
s18i'i „Der Verstand, sagt Kant, ist nur in so weit
gesetzgebend für die Natur, als es die Möglichkeit einer Er-
fahrung überhaupt erfodert, alles übrige läßt er unbestimmt.
Diese in Ansehung seiner zufällige Einrichtung der Natur
könnte nun so beschaffen seyn, daß es unmöglich wäre, die m
Erkenntniß derselben unter eine für uns faßliche Ordnung zu
bringen. Sie wird aber nicht so beschaffen seyn, wenn ein
Verstand ihre besondern Gesetze zum Behuf eines Erfahrungs-
Systems eingerichtet hat. Der Verstand wirkt nach Zwecken;
diese Art also die Natur zu betrachten als wenn sie nach is
Zwecken gehandelt hätte, ist ein Grundsatz, den wir nicht aus
der Erfahrung schöpfen, sondern schon dabey voraussetzen, der
sich aber bloß ans das Bedürfniß unsers Verstandes gründet.
Wir schreiben der Natur kein Gesetz dadurch vor, lernen auch
keines von ihr, sondern es ist bloß eine Vorschrift für das 20
Verfahren unsrer Urtheilskraft bey der Betrachtung der Natur-
gegenstände."
„Der Verstand wendet seine allgemeinen Gesetze auf die
Wahrnehmungen nothwendig und also unabsichtlich an. Die
Übereinstimmung der Natur mit ihnen kann daher kein Gefühl 25
der Lust in uns hervorbringen. Die Natur durch Erfahrung
in ihren zufälligen Beschaffenheiten zu erkennen ist dagegen
s19i»s eine Absicht; und ihre Übereinstimmung mit unserm
Bedürfnisse muß uns folglich (wegen der Erreichung unsrer
Absicht) ein Gefühl der Lust erregen. Wenn uns nun ein so
Gegenstand der Anschauung durch die bloße Auffassung seiner
Form eine Lust erregt, die nicht von bestimmter Erkenntniß
herrührt sondern vor derselben hergeht, so müssen wir daraus
schließen, daß er zweckmäßig für unser Erkenntnißvermögen
eingerichtet ist." 35
Auf diesem Schlüsse ruht Kants ganze Theorie vom
Schönen. Man sieht nicht ein, wie er sich zu dieser Plötz-