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tragung) des Sittlichguten, und erklärt eben dieß für das
Übersinnliche, worauf der Geschmack hinaussehe.
Also nichts weiter als dieß! Freylich wird damit etwas
weit wahreres und besseres gesagt, als wenn man von jedem
ü einzelnen schönen Werke moralische Erbauung erwartet, daß
die Stimmung für das Schöne nur im Ganzen die Empfäng-
keit des Gemüths für das sittliche Gefühl befördere. Aber
die Anlage zur Sittlichkeit ist wenigstens nicht ursprünglicher
im menschlichen Geist, als die zur Kunst und zum Schönen;
10 und wenn der höchste Werth von diesem darin gesetzt wird,
daß es im allgemeinen für das Sittlich-Gute erzieht, so sieht
man nicht ein, warum von diesem nicht eben so gut gefedert
werden sollte, daß es uns zum Schönen bilde, da beydes
gleichen Rang hat. Tie Sittlichkeit ist eine nothwendige
15 Richtung des menschlichen Gemüths, die aber durch eine Reihe
innrer Handlungen, die jenseits unsers Bewußtseins liegen,
weil sie Bedingungen desselben sind, erst erzeugt wird. Sie
ist das Bestreben unsre sinnlichen Triebe zur Einstimmuug
mit der Vernunft zu lenken, sie setzt also schon eine Ent-
20 zweyung s18^ voraus, und kann folglich nicht das ursprüng-
lichste und erste in uns sehn, welches absolute Einheit ist.
Die Sittlichkeit tritt, wenn es mir erlaubt ist mich bildlich
auszudrücken, erst nach dem Süudenfalle ein; das Streben
nach dem Schönen will uns jenseits des Sündenfalles zurück-
25 führen, gleichsam den Stand der Unschuld, d. i. der voll-
kommnen Einheit des innern und äußern Menschen in seinem
spielenden Scheine wieder Herstellen. Daher die selige Be-
friedigung die es in feiner ächten Gestalt (man vergesse nicht
an wie unwürdige Gegenstände der Name des Schönen ver-
so schwendet zu werden pflegt) mit sich führt, indem es uns
von dem einengenden Druck der Sterblichkeit momentan
erlöset.
Was Kant zu Anfänge verspricht, hätte er hiemit geleistet,
nämlich die Kritik der Uriheilskraft zu einem Mittelgliede
so der theoretischen und praktischen Philosophie zu machen, denn
er fängt seine Erörterung des Schönen damit an, es für ein
Bedürfniß des Verstandes zu erklären, und endigt damit, es
tragung) des Sittlichguten, und erklärt eben dieß für das
Übersinnliche, worauf der Geschmack hinaussehe.
Also nichts weiter als dieß! Freylich wird damit etwas
weit wahreres und besseres gesagt, als wenn man von jedem
ü einzelnen schönen Werke moralische Erbauung erwartet, daß
die Stimmung für das Schöne nur im Ganzen die Empfäng-
keit des Gemüths für das sittliche Gefühl befördere. Aber
die Anlage zur Sittlichkeit ist wenigstens nicht ursprünglicher
im menschlichen Geist, als die zur Kunst und zum Schönen;
10 und wenn der höchste Werth von diesem darin gesetzt wird,
daß es im allgemeinen für das Sittlich-Gute erzieht, so sieht
man nicht ein, warum von diesem nicht eben so gut gefedert
werden sollte, daß es uns zum Schönen bilde, da beydes
gleichen Rang hat. Tie Sittlichkeit ist eine nothwendige
15 Richtung des menschlichen Gemüths, die aber durch eine Reihe
innrer Handlungen, die jenseits unsers Bewußtseins liegen,
weil sie Bedingungen desselben sind, erst erzeugt wird. Sie
ist das Bestreben unsre sinnlichen Triebe zur Einstimmuug
mit der Vernunft zu lenken, sie setzt also schon eine Ent-
20 zweyung s18^ voraus, und kann folglich nicht das ursprüng-
lichste und erste in uns sehn, welches absolute Einheit ist.
Die Sittlichkeit tritt, wenn es mir erlaubt ist mich bildlich
auszudrücken, erst nach dem Süudenfalle ein; das Streben
nach dem Schönen will uns jenseits des Sündenfalles zurück-
25 führen, gleichsam den Stand der Unschuld, d. i. der voll-
kommnen Einheit des innern und äußern Menschen in seinem
spielenden Scheine wieder Herstellen. Daher die selige Be-
friedigung die es in feiner ächten Gestalt (man vergesse nicht
an wie unwürdige Gegenstände der Name des Schönen ver-
so schwendet zu werden pflegt) mit sich führt, indem es uns
von dem einengenden Druck der Sterblichkeit momentan
erlöset.
Was Kant zu Anfänge verspricht, hätte er hiemit geleistet,
nämlich die Kritik der Uriheilskraft zu einem Mittelgliede
so der theoretischen und praktischen Philosophie zu machen, denn
er fängt seine Erörterung des Schönen damit an, es für ein
Bedürfniß des Verstandes zu erklären, und endigt damit, es