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Kunst. Die Anlage zu dieser treibt den Menschen erst in
der Natur Schönheit zu suchen und zu finden. Wenn man
die Naturschönheit und Kunstschönheit sich unter dem Bilde
zweyer Schwestern denkt, so ist diese, gegen die herrschende
Meynung, die erstgebohrne. Erst da konnte es Schönheit 5
in der Natur geben, als die Anlage zur Kunst schon an-
gefangen hatte sich zu entwickeln.
Man sieht bey Kant daher auck keine Nothwendigkeit der
schönen Kunst: nach seiner Ansicht müßte es mit dem, was
die Natur uns zur Begünstigung unsrer Erkenntnißkräfte 10
freiwillig entgegenbringt, sein Bewenden haben können. Daß
für die Theorie der Kunst, von deren Bestimmung er sehr
geringe Vorstellungen zu haben scheint, aus feinem System
nichts ersprießliches abzuleiten ist, versteht sich von selbst, und
er versichert zum Überfluß noch mit dürren Worten daß es w
hier keine andre Theorie oder Wissenschaft gebe, als diese
seine Kritik der Urtheils- s19<ff kraft. Mit welchem erhaltenen
Bescheide wir also höflichst Abschied von ihm nehmen wollen.

i)Das unbefriedigende in Kants System rührt daher, daß
er überhaupt mit dem transzendentalen Idealismus auf halbem 20
Wege stehen geblieben ist. Eine durchgreifendere Ansicht und
Darstellung von diesem müßte also auch zu tieferem Ein-
dringen in das Wesen des Schönen und der Kunst führen,
und dieß hat sich auch schon auffallend bestätigt. Fichte
hat sich über diese Gegenstände nur beyläufig in feiner 25
Sittenlehre erklärt, aber aus eine Art die zu den höchsten
Erwartungen berechtigt, sobald er dazu kommen wird, ihnen
eine eigne ausführliche Behandlung zu widmen. Schelling
hat zuerst angefangen die Grundlinien einer philosophischen
Kunstlehre mit dem Prinzip des transzendentalen Idealismus 30
ausdrücklich in Verbindung zu setzen, und in seinem System

ff Siebente Stunde. — Allgemeine Bemerkung über dieß
System, und Vergleichung mit dem Copernikanischen.
 
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